Die Rübe muss runter!

Wusstet ihr schon, dass ich Bauchmuskeln habe? Und die Frau auch? Ja, da hab ich auch gestaunt.

Aber der Reihe nach. Wir eiern gerade vorderlastig über den Reitplatz, als sich Frau Reitlehrerin vorsichtig lächelnd in die Mitte stellt und die Frau fragt, was sie da gerade reiten würde.

Vorwärts-abwärts natürlich, antwortet die. Siehst du doch.

Tendenziell schon, antwortet Frau Reitlehrerin, inhaltlich wäre aber noch viel Luft nach oben, und die Ausführung stünde dann noch auf einem ganz anderen Blatt.

Die Frau schnauft verärgert: Der Pfridolin lässt seinen Hals doch fallen, das ist genau richtig! Und überhaupt: Die Rübe muss runter, dann wölbt sich der Rücken auf und das ist gesund!

Frau Reitlehrerin sieht das anders und erklärt, dass es – wie immer – nicht allein auf die Kopf-Hals-Position ankommt, sondern darauf, was die Hinterhand macht. Zwar müsste der Pfridolin für ein korrektes Vorwärts-abwärts den Hals aus dem Widerrist heraus fallen lassen (Also doch Rübe runter, triumphiert die Frau), aber halt nicht tiefer als bis zur Buglinie.

Die Frau guckt fragend.

Brust, übersetzt Frau Reitlehrerin.

Ahhh, macht die Frau. Das ist dann das horizontale Gleichgewicht? Ich weiß gar nicht, woher sie solche Ausdrücke hat. Wahrscheinlich aus einem ihrer Wendy-Hefte. Da sieht man mal wieder, wie Theorie und Praxis auseinandergehen.

Ja genau, antwortet Frau Reitlehrerin. Streng genommen geht es immer ums Gleichgewicht und die Balance. Aber zurück zur Dehnungshaltung: Das Nackenband hebt den Rücken an und die bereits fleißige Hinterhand kann weiter untertreten. Ganz wichtig dabei ist, dass die Nasenlinie vor der Senkrechten bleibt.

Ja klar, kommentiert die Frau, die keinen Schimmer hat, worauf Frau Reitlehrerin hinauswill. Ich höre nur „fleißig“ und „untertreten“ und rechne mit dem Schlimmsten.

Das alles ist sehr schwierig umzusetzen, fährt Frau Reitlehrerin fort. Und für die Pferde unglaublich anstrengend, weshalb man die korrekt gerittene Dehnungshaltung nur für ganz kurze Zeiträume verlangen sollte und das Pferd nicht Runde um Runde auf der Vorhand laufen lassen darf.

Und wie kriege ich das hin?, fragt die Frau.

Durch deinen korrekten Sitz. Zum Beispiel soll der Pfridolin den Hals fallen lassen und nicht du.

Die Frau guckt ertappt hoch.

*

Stell dir vor, dass dein Kopf ein Luftballon ist. Und vorn an deinem Brustbein ist ein Fädchen, das dich nach oben zieht. Gleichzeitig versinken deine Füße im warmen Sand.

Die Frau hat heimlich mit den Beinchen gewackelt und dabei Knie und Absätze hochgezogen. Sie verdreht die Augen. Schon wieder diese esoterischen Anleitungen! Merkwürdigerweise sitzt sie dadurch aber trotzdem besser. Verrückt.

Und jetzt die Beine, fährt Frau Reitlehrerin fort. Schicke Reitstiefel, nicht? fragt die Frau vorwitzig.

Frau Reitlehrerin hat die Ruhe weg und informiert die Frau darüber, dass die Beine bitteschön locker herunterhängen sollen.

Die Frau entfernt die Knie aus den Pauschen, die da von ganz allein wieder hingewandert sind, und lockert die verkrampften Beine.

Ja genau, lobt Frau Reitlehrerin. Das Bein ist lang und locker und das Knie offen. Stell dir vor, du hättest da gar keine Beine, sondern nasse Handtücher.

Noch so eine bescheuerte Anweisung! Die Frau schüttelt den Kopf und bemüht ihre Fantasie. Und ausnahmsweise denkt sie nicht an Piaffe.

Aber auch nicht ans Atmen, denn Frau Reitlehrerin macht weiter: Atme in deine Mitte!

Die Frau schnappt nach Luft wie ein Karpfen und guckt böse. Was für eine uncoole Veranstaltung! Sie will doch elegant reiten und ihr Pferd mal eben professionell lösen. Und sich nicht mit so Pille-Palle-Kleinkram aufhalten!

Frau Reitlehrerin lächelt unbeeindruckt: Und atme durch den Mund aus. Die Bauchmuskulatur wird an- und abgespannt, der Rücken folgt locker. Und versuch mal, beim Aufstehen im Leichttraben das Becken mehr nach vorne zu bringen und dich beim Hinsetzen mehr auf deine Hosentaschen zu setzen.

Ach du lieber Gott. An was man alles denken muss! Die Frau wechselt hektisch die Gesichtsfarbe.

Frau Reitlehrerin gefällt es: Guck mal, wie schön der Pfridolin das macht! Er läuft prima in Oberlinienspannung. Die Brustwirbelsäule ist angehoben (Meine auch, ächzt die Frau), die Bauchmuskulatur arbeitet (die Frau, japsend: Meine auch! Einatmen, ausatmen!!), die Hinterhand ist fleißig (Nasse Handtücher! Lang und locker!!, schnauft die Frau) und die Nase ist vor der Senkrechten (Mein Kopf ist ein Luftballon!! Hoffentlich ist bald Schluss!!!). Jetzt hat er sich eine Schrittpause verdient.

Gottseidank, endlich Schritt. Die Frau ist sauer, dass ich gelobt werde und nicht sie und meckert: Das ist ja gar nicht leicht, das Leichttraben! Voll die Mogelpackung! Das hätte ich ihr auch sagen können, aber mich fragt ja keiner.

Es ist auch nicht einfach für die Pferde, erwidert Frau Reitlehrerin. Viele irritiert es, dass der Reiter mal da ist und mal nicht. Wenn man es kann, ist aussitzen immer die bessere Wahl.

Uiuiui, aussitzen. Der schreckliche Schwung! Die hüftsteife Frau beschließt, vorerst den Ball flach zu halten und an ihrer Bauchmuskulatur zu arbeiten. Schritt ist eigentlich auch eine viel schönere Gangart.

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