Locker wie ein Brett

Kann nur atmen, wenn sie sich konzentriert: Die Frau

Die Frau hat mal wieder gute Vorsätze und will locker werden. Endlich, sag ich da nur. Frau Reitlehrerin hat sich den Mund fusselig geredet. Ich auch, aber auf mich hört ja keiner.
Frau Reitlehrerin: „ Locker mitschwingen. Locker mit der Bewegung mitgehen.“
Die Frau: „Geht nicht, ist grade so unbequem.“
Frau Reitlehrerin: „Ja, weil du so verspannt bist. Lass mal locker!“
Die Frau, mit den Armen schlackernd, : „Besser, ne?“
Frau Reitlehrerin, locker aus der Hüfte: „Nein, jetzt klemmst du mit dem Knie.“
Die Frau, nicht amüsiert: „Irgendwo muss man sich ja hier festhalten, wenn alles so wackelt.“
Frau Reitlehrerin erklärt, dass es deshalb so unbequem wäre, weil die Frau in der Hüfte blockiert ist.
Aha. Die Frau guckt neugierig.
Durch den Sattel nämlich, erklärt Frau Reitlehrerin hilfsbereit.
Die Frau liebt die Sitzprothese und runzelt die Stirn.
Die Riesenpausche vorn und der sehr tiefe Sitz und überhaupt. Das würde die Frau so einschränken in ihrer Bewegungsfreiheit, dass sie sich gar nicht mehr locker bewegen könnte.

Die Frau will das ja eigentlich auch gar nicht, dieses Rumgewackel. Deshalb hat sie sich ja so einen Sattel gekauft 😉 Sie will nur bequem in dem teuren Dingens drinsitzen und ihre Ruhe haben. So wie die Leute auf den Turnieren, die pillegerade sitzen (manchmal auch in leichter Rücklage) und in ihren Sätteln eingezwängt sind. Das sieht schön aus und da ist Spannung Körperspannung und jede Menge Anlehnung, weil die Reiter sich die Pferde auf die Hand treiben und das will die Frau auch.

Nein nein nein, sagt Frau Reitlehrerin. Die Bewegung muss fließen. Durch den ganzen Körper hindurch. Alle Gelenke müssen locker mitschwingen.
Nein nein nein, erwidert die Frau. Sie hätte da was von Kreuz anspannen gehört. Und Bauchmuskeln anspannen. Und auch von Körperspannung wäre in ihren Büchern viel die Rede. Auch im Unterricht wären diese Worte schon gefallen, sagt sie mit vorwurfsvollem Blick auf Frau Reitlehrerin.
Ja, aber nur vorübergehend. Einmal die Bauchmuskeln anspannen als Hilfe zum Antraben, zum Beispiel. Danach müsste die Frau gleich wieder alles lockerlassen. Und überhaupt, erst mal wieder durchparieren und alle Körperteile locker ausschütteln.

Die Frau guckt motzig, gehorcht aber. Ich stehe gemütlich in der Bahnmitte rum, während die Frau Arme, Beine und den ganzen Rest ausschüttelt. Während Frau Reitlehrerin meinen Hals streichelt, erklärt sie der Frau, dass dieses ganze Reiten mit viel Körperspannung nicht wirklich funktionieren würde. Meist würde man sich irgendwo festmachen oder verspannen und sich dann zum Ausgleich am Zügel festhalten. Die Frau fühlt sich ertappt. Wenn man solchen Reitern nämlich den Zügel wegnähme, fährt Frau Reitlehrerin fort, würden die auch komplett den Sitz verlieren. Dann wäre es Schluss mit dem vermeintlich ruhigen Sitz. Bei Leuten, die es gut können, fänden tatsächlich pausenlos überall klitzekleine Bewegungen statt, um die Bewegungen des Pferdes durch den eigenen Körper durchzulassen. Locker halt. Stichwort Losgelassenheit – das Pferd könnte nicht losgelassener sein als der Reiter. Das findet die Frau doof.

Um sie wieder aufzuheitern, schlägt Frau Reitlehrerin vor, doch in der nächsten Reitstunde mal wieder den Fellsattel zu nehmen. Der wäre flauschig und bequem und würde auch wesentlich mehr Bewegungsfreiheit bieten. Genau aus diesem Grund mag die Frau den Fellsattel nicht und fängt an zu diskutieren. Ich finde sie sehr mutig. Aber ich weiß, dass sie in dem Moment verloren hat, als Frau Reitlehrerin ganz beiläufig erwähnt, dass der Mann sich durch den Fellsattel reiterlich sehr verbessert hat. Die Frau guckt sehr, sehr nachdenklich und ich spüre, wie es in ihr arbeitet.

Ich finde, Frau Reitlehrerin kann toll motivieren 🙂