Die Zahnfee

Der Pferdezahnarzt bei der Arbeit

Ich habe die Zahnfee gesehen! Sie war klein und überraschend bärtig, aber der Reihe nach….

Gestern hatte ich den Auftrag, Stuti in der Box Gesellschaft zu leisten. Also leider nicht beide zusammen in einer Box (das wäre zu schön gewesen), aber immerhin waren wir beide zusammen im Stall. Allein. Ihre Besitzerin zählt nicht, die hat uns nämlich nicht gestört. Stuti hatte einen Termin beim Tierarzt, und da sollte sie halt schon bei sich zuhause sein, wenn der Doc eintrifft. Von wegen Pünktlichkeit und so. Als ob Tierärzte pünktlich wären 😉 Weil wir beide uns ja so großartig verstehen, hat die Frau angeboten, dass ich Stuti in der Box „das Händchen halten könnte“. Sie drückt sich oft so albern aus, wenn sie über mich spricht. Peinlich.

Also gingen Stuti und ich gegen Mittag zurück in den Stall. Ich hatte gerade das vierte Frühstück beendet und war dementsprechend entspannt. Stuti war ein wenig nervös, was ich auf ihr Bodenpersonal zurückführte. Ich nenn sie mal die junge Frau, damit man weiß, von wem ich spreche. Und damit sich die Frau ärgert, weil sie immer so toll jugendlich tut. Also: meine Besitzerin ist die Frau, Stutis Besitzerin ist die junge Frau. Klar soweit? 😉

Zu meinem ganz großen Leidwesen wohnen wir ja nicht nebeneinander, Stuti und ich. Aber gestern führte uns das Schicksal in Gestalt der jungen Frau zusammen. Ich weiß nicht, ob sie sich vertan hat oder mir einen Gefallen tun wollte – die junge Frau und ich verstehen uns nämlich gut 😉 – , auf jeden Fall standen wir nun nur noch durch zwei horizontale Gitterstäbe und ein halbhohes Mäuerchen voneinander getrennt. Wow. So nah waren wir uns sonst nur auf der Weide, und da lauerten uns immer Else und Konrad mit ihren blöden Sprüchen auf. So doll habe ich schon lang nicht mehr an unserer Beziehung arbeiten können 😉 Gerade, als es so richtig romantisch werden sollte, stand ein Störenfried auf der Matte – der Tierarzt. Typisch.

Er hatte einen … ich sag mal Werkzeugkoffer auf Rollen dabei und schraubte sich eine Stirnlampe auf den Kopf. Aha, folgerte ich messerscharf, der guckt die Zähne nach. Zähne nachgucken kenn ich ja auch. So ein-, zweimal pro Jahr guckt mir mein Tierarzt in den Mund. Dafür kriege ich eine Spritze und ein grässliches Maulgatter angezogen. Was sonst passiert, weiß ich nicht, weil mich dann immer eine unerklärliche Müdigkeit befällt und ich einschlafe. Hinterher darf ich dann eine Zeitlang nix essen und dann fühlen sich meine Zähne genau richtig an.

Ich fand das sehr praktisch. Nun würde ich endlich erfahren, was so ein Tierarzt in einem Pferdemaul tut. Stuti bekam das Maulgatter angezogen und der Herr Doktor verschwand zur Hälfte in ihrem Mund, wobei er unverständliche Laute von sich gab. Stuti hielt brav still. Sie ist ja so lieb <3

Als nächstes gab es die schon bekannte Spritze. Stuti wurde sehr, sehr müde und schlief ein. Ich auch, denn es war schon ein bisschen langweilig. Bis plötzlich der Herr Tierarzt ein merkwürdiges Gerät anschaltete, das einen Höllenlärm machte, und damit im zarten Mäulchen meiner Liebsten herumfuhrwerkte. Da konnte ich nicht mehr länger zugucken. Ich bin ja nur ein kleines Pferd, was kann ich gegen eine solche Höllenmaschine schon ausrichten? Ich verzog mich also in die andere Ecke der Box, und zwar so weit es ging. Es ist aber maßlos übertrieben und auch nicht ganz wahr, wenn die junge Frau behauptet, ich hätte gezittert wie Espenlaub und wäre förmlich mit der Boxenrückwand verschmolzen. Ich habe mich nur dagegen gedrückt, um zu prüfen, ob die auch stabil ist und habe dabei vor Energie vibriert. So war das nämlich, jawohl.

Endlich war die Prozedur beendet. Der Herr Tierarzt baute seine Gerätschaften ab und drückte der jungen Frau einen von Stutis Milchzähnen in die Hand, der vorher wie eine Hülle auf dem richtigen Zahn gesessen hatte. Zahnkappe heißt sowas anscheinend. Guck an, das war dann wohl die Zahnfee. Ohne Flügelchen, Geld oder Leiter.

Ich gebe zu, ich war ernüchtert. Mit uns Pferden kann man’s ja machen. Ich fühlte mich ein bisschen wie im Dschungelcamp bei den D-Promis. Arme Stuti, da konnte sich ihre Besitzerin noch nicht mal ne richtige Zahnfee leisten, sondern musste die bärtige Aushilfe engagieren.

Die junge Frau erhielt dann noch irgendwelche Anweisungen von wegen „kein Futter“, was mich in eine gewisse Alarmbereitschaft versetzte. Ich bin nämlich gar nicht mehr dick, sondern nur noch „barock“. Es stellte sich aber heraus, dass davon nur Stuti betroffen war, und die konnte eh nix essen, so wie die am Schnarchen war. Ich bezog also meinen Wachtposten an ihrer Seite und schlief aus Sympathie ein bisschen mit, schon, um mein Einfühlungsvermögen zu zeigen. Und was soll ich sagen – als wir später wieder auf der Wiese waren, konnte sie besser und schneller essen als je zuvor. Und Widerristknabbern erst 🙂