Der Leichtmatrose und das Paddock

Das spanische Mähnenwunder

Vom Leichtmatrosen hab ich euch schon erzählt, oder? Das ist dieser nichtsnutzige Spanier namens Capitàn, der neu zu uns gekommen ist. Man hat uns nämlich aus irgendwelchen finsteren Gründen von der Weide genommen und zusammen aufs Paddock gepfercht. Mit der fadenscheinigen Begründung, jetzt wäre Herbst und da wäre das nun mal so.

Das ist mir übrigens schon häufiger passiert. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen wird man statt auf die Weide aufs Paddock gebracht. Zuerst bin ich ja noch davon ausgegangen, dass die Menschen ihren Irrtum erkennen, wenn man sie nur nachdrücklich genug darauf aufmerksam macht, aber irgendwie sind die so begriffsstutzig, dass sogar der Lutschi, unser spanisches Mähnenwunder, das bekanntlich sämtliche Gehirnzellen fürs Mähnenwachstum aufbraucht, dagegen der reinste Blitzmerker ist.
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Noch 57 Tage bis zum Frühling!

So nett es auf dem Paddock auch ist, eins fehlt: Gras! Und Frühling! Und Stuti. Faxe meint, das wären schon drei Dinge, das ist mir aber egal. Und schließlich: Was weiß so ein haariger Tinker, der zugegebenermaßen mein bester Freund ist, schon von Romantik? Eben 😛

Else sehe ich ja mittlerweile und eher unfreiwillig Tag und Nacht, aber Stuti nur noch ganz selten. Ich gebe zu, unser Verhältnis war zuletzt nicht ganz spannungsfrei, was möglicherweise auch daran liegt, dass ich mich nicht nur mit ihr, sondern auch mit Rosa, der Haflingerin, und meiner Nachbarin Else getroffen habe. Aber als wir neulich zusammen in der Reithalle waren, war es wie am ersten Tag. Sie hatte nur Augen für mich und wäre mit mir überallhin gegangen, wenn ich nicht gerade an der Longe gewesen wäre. Und das lag nicht nur an meinem rosa Glitzer-Stirnband!

Frau Reitlehrerin hat nämlich die Frau und mich zu Sitzübungen an der Longe vergattert. Also eigentlich nur die Frau, aber ich muss halt auch dabei sein. Das Gute daran ist, dass ich mich dabei mit Stuti treffen kann, die oft zur selben Zeit geritten wird.

Man muss sich das so vorstellen: Ich laufe immer im Kreis um Frau Reitlehrerin rum, während die Frau auf meinem Rücken Turnübungen ausführt, die bei dreijährigen Kindern niedlich aussehen. Bei der Frau denkt man eher was in der Art von „Oha, ein Nilpferd lernt reiten.“ Nein, das war nur ein Scherz. Tatsächlich denkt man: „Boah, dieses Reiten scheint aber ganz schön schwer zu sein, wenn sogar diese gestandene Frau da drüben Schwierigkeiten damit hat.“ Das liegt aber nicht nur an mir, sondern daran, dass Reiten halt wirklich schwierig ist. Obwohl ja tatsächlich ich die meiste Arbeit tue, sind hinsichtlich des Bedienpersonals obendrauf Fähigkeiten wie zum Beispiel Ganzkörperkoordination, Geschicklichkeit und Einfühlungsvermögen gefragt. (Also das, was ich meistens manchmal nicht habe).

Nur mal so als Beispiel: Wieviel Menschen sind denn mit beiden Händen auf den Millimeter gleich geschickt? Ja, ne – da muss man schon ein bisschen üben 🙂 Genauso wie wir Pferde, die die Turnübungen Lektionen sowohl auf der rechten wie auf der linken Hand üben müssen, und zwar bitteschön gleich geschmeidig. (Stichwort Gymnastizierung und Geraderichtung)

Na, also wir auf dem einen Zirkel, die Frau schwitzend und nicht ganz losgelassen am Schulter- und Hüftenkreisen, und Stuti auf dem anderen Zirkel. Jedes Mal, wenn wir uns begegneten, leuchteten ihre Augen. Meine natürlich auch, denn bald ist Frühling und da werde ich immer besonders romantisch <3 Außerdem wohnen wir im Frühling wieder alle zusammen auf einer großen Weide- jedenfalls tagsüber. Nachts bin ich nach wie vor in der Box neben Else und kann mir ihr Geschnarche anhören 🙁

Jetzt im Winter ist Stuti tagsüber auf einem Paddock am anderen Ende der Welt des Stalls, zusammen mit Rosa und anderen Mädels, die sich aber nicht für mich interessieren langweilig sind. Anscheinend ist es auf Dauer doch nicht so nett in einer Stutengruppe. Die meinen immer alles so ernst und wenn’s da mal Ärger gibt, ist Schluss mit lustig.

Wir Wallache Fast-Hengste toben zwar auch ziemlich rum, aber bei uns ist es normalerweise nur Spaß. Da geht dann schon mal ein Halfter oder eine Paddockdecke kaputt, aber meistens nicht mehr. Dafür sind wir immer ausgeglichen und schmutzig. Stuten nicht, die sind anders. Also schon auch schmutzig, aber auf komplizierte Art. Man weiß nicht genau, warum.

Aber Faxe und ich Männer haben eh keine Ahnung und machen grundsätzlich alles falsch. Außerdem sind wir unsensibel und grobmotorisch. Sagt jedenfalls die dicke Else. Ich weiß gar nicht, wie sie auf sowas kommt. Und schon gar nicht, wieso sie mich jetzt beißen will. Es gab doch gerade erst Futter.

Aber so, wie mich Stuti angelächelt hat, rechne ich mir schon Chancen für das Frühjahr aus. Und das trotz meiner grausigen Frisur! Stuti ist schon sehr, sehr nett und möglicherweise kurzsichtig und ich bin gerade sehr verliebt.

Die Frau hat mir zuletzt vor der Weihnachtsquadrille die Mähne verunstaltet und die Zacken sind schon ein bisschen herausgewachsen. Die Mädels stehen ja so auf Wallemähne – bestimmt hab ich bald auch eine und bekomme ein Liebesleben <3 Eine Frage hab ich aber noch: Wie schnell wächst eigentlich so ne Mähne?

Romantik und Frisur

Else und ich haben miteinander gesprochen. Am Paddockzaun. Sie auf der einen Seite und ich auf der anderen, und sie hat gar nicht über meine Figur gelästert. Ich aber auch nicht über ihre. Wie so’n Liebespaar.

Was man an dieser Stelle vielleicht noch erwähnen sollte: Wir tragen natürlich beide unsere Paddockdecken, so dass man Elses barocke Formen ohnehin nur erahnen kann. Da reißt auch der angeblich schlankmachende Rallyestreifen nix raus, den Elses Besitzerin ihr geschoren hat. Scheren kennt ihr, ne? Das ist wie Rasieren, nur mit mehr Möglichkeiten, sich zu vertun. Man macht das, weil unsereiner manchmal einen ganz außerordentlichen Winterpelz entwickelt, sich aber trotzdem bewegen muss (wegen Lunge, Stoffwechsel und so). Da ist es ganz praktisch, wenn einem nicht sofort der Schweiß ausbricht.

Die Frau hat mir auch schon mit zitternder Hand die schrecklichsten Muster ins Fell gefräst, ich weiß also, wovon ich spreche. Es fängt normalerweise damit an, dass sie die Kreide vergessen hat und so keine Linien vorzeichnen kann. Dann kriegt sie (natürlich) die Schermaschine nicht in Gang. Ich habe mich durchgesetzt und den Kauf einer akkubetriebenen Maschine angeordnet, weil die Frau und ich beide Angst vor Stromkabeln haben. Da ist es natürlich günstig, wenn man vor dem Scheren den Akku aufgeladen hat 😉

Na ja, und dann ist der Katastrophe Tür und Tor geöffnet. Andere Pferde bekommen gerade Linien und schwungvolle Kurven geschoren, so dass in der Sattellage oder auf dem Rücken oder manchmal zusätzlich noch am Hals das Winterfell stehen bleibt. Ein zusätzlicher Bonus ist es, wenn beide Seiten gleich aussehen. Manche Pferde bekommen sogar ein Sternenmuster auf den Hinterschinken. Oder einen Drachen. Das sieht dann aus wie ein Tattoo. Drachen sind toll, die heben die Laune und man fühlt man sich auch gleich viel männlicher, wenn man einen Drachen auf dem Hintern hat. (Auf dem Rücken hab ich ja ohnehin schon einen sitzen 🙂 )

Und dann gibt’s da noch den Rallyestreifen. Das ist so ein Querstreifen, der seitlich am Pferdekörper geschoren wird. Auch das kann man sehr schön und ordentlich machen. Ich weiß das, weil ich es schon bei anderen gesehen habe. Bei Else zum Beispiel. Gut, der Querstreifen macht nicht unbedingt schlank – aber wenigstens ist er gerade und nicht so eine zittrige, schiefe Schlangenlinie wie bei mir im Plüsch. Das kann einen schon depressiv machen.

Aber genug gejammert. Was Else und mich im Moment vereint, ist unsere gemeinsame Abneigung Skepsis dem Neuen gegenüber. Bonito. Er weigert sich, von Else gemobbt zu werden, was ich grundsätzlich schon mal charakterstark und mutig finde. Andererseits ist Else ja auch meine Boxennachbarin und ich habe mich von daher gezwungenermaßen freiwillig bereit erklärt, ihr mit Bonito zu helfen. Sie hat gedroht, mich sonst die ganze Nacht über zu ärgern, und ich bin bekanntlich jemand, der vernünftigen Argumenten zugänglich ist.

Wir passen jetzt also gemeinsam auf ihn auf und ich kann ihn angiften. Aus sicherer Entfernung, versteht sich. Das ist schon fast so wie in einer Beziehung, glaube ich. Ich fühle mich auch ein bisschen romantisch, jetzt, wo sie auf mich angewiesen ist und ihr Freund, das Sportpferd Konrad, woanders auf dem Paddock steht 🙂 Jetzt glauben alle, Else wäre in mich verliebt, weil wir so lange am Zaun nebeneinander stehen. Ich weiss auch gar nicht, wie Konrad das findet. Nicht, dass Else wegen mir Beziehungsstress bekommt 🙂

Herbst

Rosas Decke im Härtetest

Pünktlich zur Paddocksaison fängt der Herbst an. Komisch, wie das immer so auskommt.
Gestern war noch Sommer und wir hatten ganz viel Platz und nicht mehr ganz so viel Gras, heute gibt’s Paddock und Heu, aber so viel, dass Faxe und ich den ganzen Paddock damit dekorieren konnten. Also von daher: coole Sache. Bei Faxe besteht ja immer die Gefahr, dass er aufgrund seiner Tinkerhaftigkeit zum Staubsauger mutiert und alles isst, was er findet. Er sagt dann immer, bei uns könnte man vom Boden essen, es läge ja genug rum 😉 Da kann er sich aber jetzt auf dem Paddock ranhalten und es bleibt immer noch genug für die Frau übrig. Zum Selberessen Aufräumen.

Die Frau ist sich treu geblieben und hat die Gelegenheit genutzt, auf einen Satz mehrere Paddockdecken für mich zu kaufen. Anscheinend hat sie eine Pferdedecken-Flat. Die braucht sie auch, weil mir entweder zu kalt oder zu warm ist – ihr kennt das.

Wir sind jetzt auch alle im Qualitätsmanagement tätig und testen unsere Decken regelmäßig auf Reißfestigkeit. Rosas Lieblingsdecke (ihr seht sie auf dem Foto, und ich soll euch ausrichten, dass die Farbe Berry heisst und total in ist) ist anscheinend ziemlich unverwüstlich. Else hat auch eine Decke in der Farbe. Um ihr zartes, mädchenhaftes Wesen zu betonen, sagt sie. Ja sicher, wenn Else mal grade niemanden durch die Gegend jagt, ist sie wirklich kuschelig und anschmiegsam. Da muss man sich aber beeilen, damit man’s mitkriegt 😉 Ich würde mich auch nicht trauen, sowas zu schreiben, wenn ich nicht genau wüsste, dass Else und ich durch 10.000 Volt getrennt sind 😉

Else und Bonito stehen nämlich auf dem Nachbarpaddock, und Faxe und ich haben ein Paddock nur für uns. Bonito ist neu. Er wohnt erst seit ein paar Wochen bei uns, und in seinem alten Stall war er Herdenchef. Davon merkt man im Moment aber nix, denn die zarte und mädchenhafte Else mobbt ihn. Er hätte die falsche Farbe und man würde sich ja eigentlich gar nicht kennen, meint sie. Da wäre es doch ein bisschen viel verlangt, wenn man so einfach zwangsverpartnert würde. Eigentlich lustig, denn bei Konrad hat sie sich nicht so angestellt. Der hat sie mit seinem gesamten muskelbepackten Körper angelächelt und BAM! war sie hin und weg. Aber jetzt tut sie ganz entrüstet und scheucht Bonito übers Paddock. Der kann ihrer geballten Masse Kraft Anmut nicht wirklich was entgegensetzen und ist beeindruckt. Faxe hat er wohl gesagt, er täte das nur, um ihr Selbstbewußtsein aufzupolieren, aber ich glaube, er lügt. Elses Selbstbewußtsein ist nämlich genauso groß und stark wie Else selbst.

Das war aber nicht immer so. Als sie zu uns kam, kannte sie nur ihre Box und im Sommer mal eine Stunde Einzelweide. Wegen der Verletzungsgefahr und weil sie anscheinend so teuer war, dass ihre früheren Besitzer kein Geld mehr für den Tierarzt übrig hatten. Und jetzt hat sie so viel Spaß – zwar auf Bonitos und meine Kosten, aber wir tun es ja gern irgendwas ist ja immer.

Bonito muss also ganz schön viel laufen, weil Else ihn mobbt. Und wenn ich nicht aufpasse, will Faxe ihn auch jagen. Daran erkennt man, dass ich Chef bin. Nämlich daran, dass ich aufpasse und Faxe abschirme. Der gehört nämlich mir und hat sich nicht mit den Nachbarn zu unterhalten.

Leider ist dieses Chefsein und Aufpassen ganz schön anstrengend – damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin auch ein bisschen entsetzt, wie dynamisch Faxe mit einem Mal ist. So kenne ich ihn gar nicht. Nicht, dass er aus Versehen noch abnimmt 😉 Ich bin auf jeden Fall nach 2 Tagen Chefsein urlaubsreif. Nicht, dass ICH noch abnehme!