Traversälchen

Der Mann auf Faxe. Beide gucken entspannt.

Die Frau fragt den Mann ja nicht mehr, was er im Reitunterricht so alles macht. Zu groß war die Schmach, als sie beim letzten Mal herausgefunden hat, dass er Renvers und dergleichen reitet, ohne überhaupt zu ahnen, was das für eine Kunst ist und wie lang die Frau schon versucht, ähnlich vorzeigbare Seitengänge zustande zu bringen und wie glühend sie ihn darum beneidet.

Nein, fragen tut sie nicht mehr. Zugucken beim Unterricht auch nicht. Die Blöße gibt sie sie sich nicht. Das wäre ja auch peinlich, wenn man einerseits so cool tut und sich dann beim Hinterherspionieren erwischen lässt. Aber die Neugier bringt sie um. Alle machen geheimnisvolle Andeutungen darüber, wie toll der Mann doch reiten würde und was er in der kurzen Zeit schon alles gelernt hätte, sogar Frau Reitlehrerin.

Das sähe richtig gut aus, freut die sich.

Die Frau macht ein ganz spitzes Mündchen. So?

Ob denn die Frau bei der letzten Reitstunde zugeguckt hätte, fragt Frau Reitlehrerin. Nicht? Der Mann wäre ein echtes Naturtalent. Sooo ein langes Bein! Und wie locker er sitzen würde.

Die Frau guckt sparsam.

Ja, macht Frau Reitlehrerin weiter. Und die Seitengänge erst! Er würde zwar immer Schulterherein mit Travers verwechseln, aber das, was er sich vorstellen würde, könnte er sehr korrekt reiten. Jetzt wäre man sogar schon bei den Traversälchen angekommen.

Traversälchen? fragt die Frau entgeistert.

Jaja, Traversälchen. Der Mann würde das so locker und spielerisch reiten, das wäre wirklich hübsch anzuschauen.

Und das aus dem Mund der überaus kritischen Frau Reitlehrerin, die für gewöhnlich mit gar nix zufrieden ist, was die Frau reitet. Die Frau holt empört Luft.

*

Frau Reitlehrerin redet unbeirrt weiter: Und Faxe erst! Wer hätte gedacht, dass aus Faxe mal ein Dressur-Tinker würde! Zuerst hätte sie sich ja schon gefreut, als sich das Energiesparpony überhaupt erstmal wie ein Reitpferd bewegt hätte, und jetzt wäre er sogar ein richtiger Dressur-Tinker.

An dieser Stelle des Gesprächs bekommt Faxe, der gemeinsam mit mir das Gespräch belauscht, einen eigenartigen Gesichtsausdruck. Ich auch. Mein bester Kumpel mutiert zur Ballett-Elfe! Ehrlich gesagt fand ich Faxes Benehmen in letzter Zeit schon ziemlich streberhaft, aber andererseits macht es auch Spaß, mit dem Mann unterwegs zu sein. Ich weiß das, denn er begleitet mich ins Gelände, wenn die Frau mal wieder die Hosen voll hat, also oft, und unsere Ausritte sind legendär 😉 Aber trotzdem. Ich hätte nie damit gerechnet, dass mein flauschiger Freund mal ein Traversalenturner wird. Wo doch jeder weiß, wie anstrengend das ist!

Die Frau hat sicher auch nicht gedacht, dass aus Faxe mal ein Dressurcrack wird, denn sonst hätte sie sich das viele Geld für den Lutschi sparen können und einfach Faxe mitreiten können, der ja jetzt anscheinend ganz nebenbei vom Mann ausgebildet wird. Das ist übrigens derselbe Mann, der eigentlich nur ausreiten wollte, bis er auf mysteriöse Weise Gefallen am Dressurreiten gefunden hat. Er selbst meinte mal zur Frau, das wäre wie beim Autofahren – mit Servolenkung würde es einfach mehr Spaß machen.

Aber nicht nur Faxe guckt komisch, wenn Frau Reitlehrerin über die Reitstunden mit dem Mann spricht. Auch die Frau kriegt so ein merkwürdiges Zucken, und bei ihr liegt es ganz sicher nicht an den Fliegen.

Traversälchen, fragt sie noch mal. Nur um sicherzugehen, dass sie sich nicht verhört hat.

Wahrscheinlich erinnert sie sich gerade an das letzte Mal, als sie sowas versucht hat und mich übereilt und mit krumm gezogenem Hals quer über den Reitplatz getriezt hat. Das war übrigens die Reitstunde, in der Frau Reitlehrerin ihr erklärt hat, dass die äußere Hüfte keineswegs dadurch nach hinten – unten kommt, indem man das innere Bein steif nach vorne wegstreckt.

Jaja, Traversälchen. Und dabei reitet er noch gar nicht lange, fügt Frau Reitlehrerin versonnen hinzu. Vielleicht bildet er dir ja den Lutschi aus, wenn du ihn lieb fragst.

Und das war der Punkt, an dem die Frau mal wieder darüber nachgedacht hat, ob Minigolf nicht doch eine Alternative zum Reiten sein könnte. Ich wusste übrigens gar nicht, dass Frau Reitlehrerin so einen großartigen Sinn für Humor hat.

Lesetipp zum Thema verbissener Ehrgeiz: Perfektionierst du noch oder lebst du schon?
Und der hier: Typisch Frau? Warum du nicht zu viel denken solltest mit Pferden

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Der Mann reitet Seitengänge (und weiß gar nicht, was daran so besonders sein soll)

Der Mann auf Faxe. Beide gucken entspannt.

Neulich hat die Frau den Mann gefragt, was er denn jetzt im Reitunterricht so alles macht.
Och, sagt der, Trab und Galopp und so. Und Rongwehr.
Rongwas?, fragt die Frau.
Rongwehr. So seitwärts halt.
Ach, so seitwärts. Renvers. Ah ja. Soso.

Die Frau ist grün vor Neid. Ihr war bereits zu Ohren gekommen, dass der Mann sehr schön reitet und „man da mittlerweile gut hingucken kann“. Das war ja schon schlimm genug für sie, wo sie doch von Piaffe und Passage träumt und neuerdings Garrocha. Immerhin versucht sie das mit dem Reiten schon sehr lange und hat auch furchtbar viele Bücher darüber gelesen. Und da kommt doch dieser Mann daher und reitet irgendwelche komplizierten Lektionen, die ihm anscheinend gut gelingen und ist noch dazu locker und entspannt dabei.

Die Frau versucht natürlich, sich das nicht anmerken zu lassen und heuchelt Begeisterung. Der Mann, verwundert: Wieso? Ist das irgendwas Besonderes?

Die Frau springt fast aus dem Hemd, bleibt aber tapfer und faselt etwas von anspruchsvollen Lektionen für Fortgeschrittene. Den Mann langweilt das Gesprächsthema ein bisschen, weil er ja im Grunde seines Herzens nur ausreiten will. Den Reitunterricht hatte ihm die Frau aufgenötigt, die in dem Zusammenhang von Gesunderhaltung und Gymnastizierung sprach. Das hört sich ja auch vernünftig an, oder? Die Frau hatte aber leider vergessen, ihren eigenen diesbezüglichen Geltungsdrang zu erwähnen, den sie regelmäßig auf mir und neuerdings auch auf dem Lutschi auslebt. Sie nimmt das Reiten sehr persönlich, und wenn Frau Reitlehrerin – wie das so ihre Art und eigentlich auch ihr Job ist – mit Kritik nicht spart, ist sie entweder grantig oder am Boden zerstört, je nach Wetterlage. Statt dass sie mal innerlich ein bisschen lockerlässt, so wie der Lutschi und ich und auch der Mann, ist sie krank vor Ehrgeiz und eben auch grün vor Neid, weil der Mann mal eben das reitet, wofür sie Jahrzehnte Jahre gebraucht hat.

Ja, und dann war da noch Schulterherein und Trawehr, fällt dem Mann ein, der zwischendurch an Fußball gedacht hat, während die Frau so komisch guckte. Er mag dieses Fußball ganz gern, hat er mir mal erzählt. Klare Ergebnisse und kein Schnickschnack. Faxe meint, mit „Schnickschnack“ würde der Mann gruppendynamisch-künstlerische Prozesse meinen, die die Frau für einen wichtigen Bestandteil ihrer Reiterei hält. Mit anderen Worten: Rumstehen und lästern und Firlefanz mit Pferdchen drauf für Zuhause kaufen. Woran ja erstmal nichts Schlechtes ist, weil sie mir in der Zeit keine rosa oder pinken Flauschi-Halfter oder Schabracken kaufen kann 😉

* Ein Buch mit Lösungen für Probleme, von denen man noch gar nicht wusste, dass man sie hat 😉

Schulterherein auch? Und Travers? Das ist doch total schwierig, rutscht es der Frau raus.
Eigentlich nicht. Man muss halt nur das machen, was Frau Reitlehrerin sagt, erwidert der Mann, was ich sehr mutig finde.
Die Frau guckt inzwischen ziemlich humorlos.
Frau Reitlehrerin hat auch von Piaffe gesprochen, behauptet der Mann, nur, um mal zu sehen, was als nächstes passiert.

Und jetzt weiß ich nicht, ob die Frau nochmal wiederkommt oder ob der Lutschi und ich jetzt Waisenpferde sind. Gerade eben jagt sie den Mann zum dritten Mal mit der Mistgabel um den Reitplatz.

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