Alles Kopfsache oder: Mentale Hüftschwünge

Ein schwarzer Tinker, der aussieht, als würde er lachen

Als die Frau letztens so dollen Muskelkater vom Wanderreiten (und ihrer chronischen Selbstüberschätzung) hatte, dass sie sogar die wöchentliche Reitstunde verweigerte, hat sie von Frau Reitlehrerin eine Hausaufgabe bekommen. Visualisieren nämlich. Aha, staunte die Frau. Was genau sie sich denn darunter vorstellen solle.

Vorstellen wäre genau das richtige Wort, sagte Frau Reitlehrerin. Dass man sich vorstellen würde, wie man bestimmte Dinge tut, damit man ein inneres Bild davon parat hätte. Das wäre total super und würde einem helfen, seine Ziele zu erreichen. Die Frau sagt nochmal Aha, und für einen kurzen Moment leuchtet das Wort „Piaffe“ in ihren hoffnungsvollen Augen auf. Direkt danach kamen „Einerwechsel“ und „Passage“. Ja, da guckt ihr, was? Genauso hab ich nämlich auch geguckt.

Frau Reitlehrerin ist glücklicherweise wesentlich diplomatischer. Sie schlug nämlich vor, dass die Frau sich erstmal mit ganz normalen Sachen beschäftigen sollte– einem richtig runden Zirkel, beispielsweise. Oder pillegrade die Mittellinie runterreiten – in allen 3 Grundgangarten. Das soll sie sich ganz detailliert vorstellen. Wie sie auf dem Pferd (also mir) sitzt und jeden einzelnen Schritt, Trabtritt oder Galoppsprung bewusst reitet.

Ich würde sagen: Eine interessante Herausforderung. Zum Beispiel Zirkel: Unsere Zirkel sind in der Regel monströse Ostereier mit 2 Ecken. Im Gegensatz zu dem perfekten Kreis, den man gemeinhin damit verbindet. Wo man den Hufschlag für eine Pferdelänge betritt und sofort wieder verlässt, weil es ja um eine kontinuierliche Biegung geht. Und zum Thema „geradeaus“ möchte ich anmerken, dass allen, die meine krumm und schief geschnittene Mähne kennen, natürlich völlig klar ist, dass wir die Erfinder der Hufschlagfigur „an der nächsten langen Seite jeweils einen Meter nach rechts und links schwanken“ sind.

Aber ich schweife ab. Die Frau soll sich also vorstellen, dass sie sowas richtig reitet. Frau Reitlehrerin erklärt ihr auch, dass das durchaus anspruchsvolle Übungen sind. Das Allerschwierigste von allem wäre, gut Schritt zu reiten – nämlich zum Beispiel in einer leichten Anlehnung (!) taktrein (!) schön geradeaus (!) zu reiten. Das hätte die Frau nicht gedacht. Sie findet nämlich, dass eine Piaffe viel mehr hermacht als Schritt. Schritt = voll langweilig, Piaffe = toll.

Sie argumentiert, Schritt reiten wäre doch echt nix Besonderes, das würde sie ja jeden Tag machen. Frau Reitlehrerin lobt sie dafür. Wie jetzt – Lob?, denkt die Frau. Ja, sagt Frau Reitlehrerin, Lob! Schrittreiten würde so oft unterschätzt, und es wäre super, dass die Frau jeden Tag ganz bewusst Schritt reitet. Sie fragt die Frau, wieviele meiner Beine sie denn beim Schrittreiten spüren würde. Zwei, drei oder alle vier?

Die Frau kann das so spontan nicht beantworten. Ich bin nicht überrascht 🙂 Ich fand es nämlich ehrlich gesagt eine lustige Idee von Frau Reitlehrerin, die Worte „Frau“ und „bewusst reiten“ miteinander zu kombinieren. Beim Schritt reiten quatscht sie nämlich meistens. Wenn sie nicht gerade auf die Uhr guckt 🙂 Faxe sagt, das wäre doch schon mal was. Andere würden beim Reiten telefonieren oder WhatsAppen. Das ist jetzt aber ein schwacher Trost, finde ich. Faxe meint, ich würde ein wenig angespannt wirken. Ich sollte es doch auch mal mit diesen inneren Bildern versuchen. Er hätte ein ganz Schönes, das dürfte ich mitbenutzen. Und ein Lied dazu, zum innerlich Singen. Es heißt „Probier’s doch mal mit Gemütlichkeit“ . Und was soll ich sagen – es wirkt 🙂

Aber zurück zur Frau. Die fragt gerade, wie und warum man das denn bitteschön spüren sollte, das mit den Pferdebeinen. Frau Reitlehrerin meint, es wäre doch praktisch, wenn man als Reiter wüsste, wo sich die Beine seines Pferdes gerade befinden, und fürs feine Reiten unverzichtbar. (Pst, ich weiß, was die Frau jetzt denkt. Feines Reiten = Piaffe? 🙂 Aber dieses Fühlen kriegt die Frau ja noch nicht mal bei ihren eigenen Beinen hin!). Das sieht die Frau ein. Frau Reitlehrerin meint, man müsste das erspüren, und es wäre eine tolle Aufgabe für die Frau.

Die fühlt sich jetzt ganz wichtig und will unbedingt auch mal was merken darauf achten. Prima, lobt Frau Reitlehrerin, geritten würde mit dem Hintern, und ohne Fühlen ginge es nicht. Beziehungsweise ohne inneres Bild, mit Fühlen. Die Frau reitet jetzt also innerlich Schritt auf dem Zirkel und versucht, jede Bewegung mitzubekommen. Gleichzeitig soll sie mich biegen und stellen, und zwar mit ganz leichter Anlehnung und mit beweglichen Fingern, wie beim Klavierspielen.Und bloß nicht zu viel am inneren Zügel machen! Als nächstes könnte die Frau ja den Trab dazu nehmen und dann vielleicht noch ein Galöppchen. Und immer schöne Übergänge reiten, mit Großwerden im Sattel und so.

Aufregend! Die Frau hat Blut geleckt. Ihre Augen glänzen, und als sie hört, dass das eine ganz tolle Übung ist, die man auch sehr schön im Büro machen kann, beschließt sie, ihre persönliche Produktivität in den nächsten zwei Wochen auf ein Minimum zu reduzieren und stattdessen lieber mental die Hüften zu schwingen. Mit konzentriertem Gesichtsausdruck und einem gelegentlichen Zungenschnalzen.

Länger hält sie eh nicht durch 😉