Die Frau hat’s schwer

Die Frau hat‘s mal wieder schwer. So richtig, richtig schwer. Und keiner versteht sie. Frau Reitlehrerin nicht, der Mann nicht und sowieso niemand auf der Welt.

Ich habe Glück – ich verstehe sie zwar auch nicht, aber mich findet sie niedlich. Deshalb ist sie in solchen Momenten besonders anschmiegsam. Ich mag sie ja auch und weiß genau, dass sie weiß, dass Liebe durch den Magen geht. Entsprechend viele Leckerlis bekomme ich auch 😉

Es fing (natürlich) wieder im Reitunterricht an. Frau Reitlehrerin stellte fest, dass die Frau im Schulterbereich total verspannt ein wenig fest war und schlug ihr vor, erstmal die Schultern kreisen zu lassen. Ich hätte ihr das ja schon früher gesagt, aber auf mich hört ja keiner. Die Frau kreist also munter drauflos. Ich bekomme in solchen Situationen immer den Zügel auf den Hals gelegt und wandere gemütlich auf dem Hufschlag außen rum. Erstens traut sich kein anderer Reiter in die Bahn, wenn die Frau reitet waren wir zufällig ganz allein in der Halle und zweitens wächst da manchmal was Essbares, was man unauffällig rupfen kann. Tannendeko von Weihnachten zum Beispiel. Oder auf dem Reitplatz Grasbüschel und lecker Hecke.

Die Frau kreist übrigens immer noch. Erst in eine Richtung, dann in die andere. Sieht lustig aus, wenn auch ein wenig verbissen. Jetzt soll sie ganz klitzekleine Kreise mit den Schultern machen und siehe da, allmählich kehrt Lockerheit in den Schultergürtel ein. Während ihre Ärmchen rotieren, schwingt sie bitterböse Reden. Das wäre alles so schwierig und sähe total lächerlich aus, täte auch irgendwie weh und ganz bestimmt gäbe es auch einen einfacheren Weg, den Frau Reitlehrerin ihr aber vorenthalten würde, damit sie, die Frau, sich hier zum Affen machen würde. Nicht, dass sie was gegen Affen hätte, aber ob diese ganze Turnerei wirklich nötig wäre? Andere würden nie turnen. Nie. Schon gar nicht auf dem Pferd.

Die wären aber auch locker, erwidert Frau Reitlehrerin ungerührt. Ob die Frau denn ihre Dehnübungen für die Hüftbeuger gemacht hätte? Die Knie müssten tiefer und das Bein insgesamt länger sein.

Ups, erwischt. Natürlich hat die Frau kein bißchen geübt, will das aber nicht zugeben. Sie behauptet, ihre Beine wären nicht zu verlängern. Sie wäre ausgewachsen und mehr käme da nicht.

Das lässt Frau Reitlehrerin nicht gelten und spricht stattdessen von einem entspannten Oberschenkel, der locker herunterhängt. Die Frau erfindet merkwürdige Hüftschmerzen, die sie vom Üben abgehalten hätten. Um aus dem unangenehmen Gespräch herauszukommen, streckt sie die Beine eifrig nach unten.

Ob das denn auch lockerer ginge, will Frau Reitlehrerin wissen. Die Frau verneint. Sie könnte ja nix dafür, dass das alles so schwierig wäre. Aber wenn ich bequemer wäre und freiwillig piaffieren würde, dann würde sie ganz bestimmt lockerer sitzen.

Ich gucke Frau Reitlehrerin an. Frau Reitlehrerin guckt die Frau an. Die guckt zurück. Also mich guckt sie ja schon die ganze Zeit an, weil sie den Kopf immer so hängen lässt, aber jetzt richtet sich tatsächlich zu ihrer vollen Größe von 1,61 m auf und guckt Frau Reitlehrerin an. Die guckt wieder mich an und wir beide haben den Verdacht, dass die Frau das eventuell ernst meint.

Wieso soll denn der Pfridolin piaffieren?, fragt Frau Reitlehrerin, nur leicht irritiert. Sie und ich, wir kennen die Frau und ihre lustigen Ideen ja schon länger und wissen, dass sie eigentlich trotzdem ok ist.

Pferdefreundlich & fein reiten *

Weil das toll wäre. Hach, Piaffe, seufzt die Frau so sehnsüchtig, so dass Frau Reitlehrerin ihr gar nicht böse sein kann. Sogar ich bin gerührt. Wenn man bedenkt, wie anstrengend Piaffe ist, spricht das ja wohl wirklich für mein gutes Herz. Für einen Moment habe ich sogar überlegt, mal kurz auf der Stelle zu trippeln, um meiner putzigen Besitzerin eine Freude zu machen. So hengstmäßig, mit weit gesenkter Hinterhand und stolzer Aufrichtung. Dann entscheide ich mich dagegen. Man soll die Menschen nicht verwöhnen, die wollen das dann immer, hat mir mein kluger Kumpel Faxe mal gesagt, und weil er den totalen Durchblick hat und (manchmal) Türen öffnen kann, glaube ich ihm.

Nach diesem emotionalen Moment schlucken wir alle kurz und Frau Reitlehrerin meint gerührt, dass sie das gut verstehen könnte. Piaffe würde sich wirklich genial anfühlen. Aber wenn die Frau sowas reiten wolle, müsste sie leider auch korrekt sitzen. Die schnieft und will sich absichern. Ob es denn beim Reitenlernen wirklich keine Abkürzung gäbe. Es wäre soo soo soo schwer und ihr Körper würde sich gegen sie verschwören.

Leider nicht, ist die Antwort. Wenn man reiten will, geht das nur über den korrekten Sitz. Und den kann ja nicht Frau Reitlehrerin von unten einnehmen, sondern die Frau muss das für sich selbst lösen. Jammern nützt da nix. Die Frau seufzt nochmal und behauptet, ab sofort würde sie wirklich IMMER ihre Gymnastikübungen machen. Und darauf achten, dass sie im Büro und überhaupt immer eine gute Haltung hat, damit ihr der aufrechte Gang und das alles irgendwann zur Gewohnheit wird.

Ich bin gespannt…

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Der Mann lernt reiten – aber wie!

Faxe und der Mann

Bei mir zuhause gibt’s ja nicht nur die Frau, sondern glücklicherweise auch den Mann. Die Frau – ihr kennt sie – ist ein wenig speziell und hat oft ganz kuriose Ansichten, was meine Erziehung unser Zusammensein betrifft. Das macht aber letztlich ihren Charme aus. Und man hat immer was zu lästern 😉

Natürlich hat sie auch ihre Schwächen, und es sind viele. Aber darauf will ich heute gar nicht herumreiten hinaus. Viel wichtiger ist, dass die Frau total mutig ist, wenn sie will. Und hilfsbereit. Und sie hat einen großen Wortschatz. Das sind alles wichtige Eigenschaften, wenn sie mich mal wieder vor Else beschützen muss, weil ich frech zu ihr war 🙂 Wenn der Mann mit im Stall ist, macht es nochmal soviel Spaß. Er ist nämlich furchtlos und unerschrocken und traut sich sogar, die Frau zu ärgern und ihr zu widersprechen! Und er kann mich super am Hals kratzen.

Außerdem reitet er. Meistens auf Faxe, aber manchmal auch auf mir. Das sieht die Frau mit gemischten Gefühlen. Es ist nämlich so, dass die Frau irgendwie schon immer reitet, aber das mehr schlecht als recht. Sie ist ja nicht ganz so jung, wie sie immer tut – gab es in ihrer Kindheit eigentlich schon Ponies oder hatte sie einen kleinen Dinosaurier? Aber ich schweife ab.

Der Mann reitet noch nicht ganz so lange wie die Frau, aber er stellt sich dabei sehr geschickt an. Das wurmt die Frau unendlich. Sie selbst ist ja sitztechnisch nicht so die Granate und bisher war das immer meine Schuld. Weil ich so unbequem wäre und sie immer meinen Kopf mittragen müsste und überhaupt.

Na ja, und wenn der Mann auf mir rumsitzt und so tut, als würde er reiten, sieht das ganz locker-flockig aus. Der Mann existiert einfach nur und wir verstehen uns dabei ganz prima. Ich muss zwar schon so halbwegs das tun, was er will, aber dann ist es auch gut. Er kennt sich nämlich aus mit Gleichgewicht und locker der Bewegung folgen.

Die Frau ist sehr, sehr neidisch, versucht aber, sich das nicht anmerken zu lassen. Wo sie es immer so schwer hat und beim Reiten aber auch gar nix klappen will. Sie findet auch viele gute Gründe dafür, warum der Mann so ein Naturtalent ist. Das läge nämlich an den langen Beinen. Und dem schmalen Becken. Er hätte da unfaire anatomische Vorteile. Und sie will doch so doll gern schön reiten können. Traversalen oder Pirouetten oder mindestens Wiener Hofreitschule. Und graziös dahinschweben.

Es gibt eine nahezu unfehlbare Methode, um sich unglücklich zu machen: Man muss nur ganz doll irgendwas wollen. Das macht ganz schnell schlechte Laune, zusammengebissene Zähne, zornig mahlende Kiefer (erst bei der Reiterin, dann beim Pferd) und ganz allgemein Stress, Krampf und übelstes Rumgewurkse. Der Mann will sowas nicht. Der weiß gar nicht, was die an der Wiener Hofreitschule so alles treiben und wenn, wäre es ihm auch egal. Der Mann will einfach nur atmen. Und reiten.

Insgeheim vertritt er die These, dass das mit dem Reiten ganz einfach ist – man müsste halt nur tun, was Frau Reitlehrerin sagt und dürfte das Pferd nicht stören. Ich glaube, er hat die Frau sehr, sehr lieb, weil er ihr das bisher noch nicht so deutlich gesagt hat 😉