„Der hat Asthma, der muss sich schonen!“, erklärt die Frau, unsere sogenannte Besitzerin, mit wichtiger Miene, wenn jemand den Fehler macht und sich danach erkundigt, warum der Lutschi rund um die Uhr nichts anderes macht als Rumstehen und Fressen. Wer ihn nicht kennt: Der Lutschi heißt eigentlich Lucero und benutzt seine Gehirnzellen ausschließlich fürs Mähnenwachstum. Jetzt hat er also das große Los gezogen und frei – mit voller Verpflegung, weil „der arme Bub ja so krank ist“. Ich prangere das an, aber sowas von. Weil natürlich ich jetzt vermehrt die Frau herumschleppen muss. Aber ich bin nicht allein, Frau Reitlehrerin ist auch dagegen. Sie meint nämlich, dass gerade für lungenkranke Pferde Bewegung wichtig ist.
Die sogenannte Besitzerin so: „Naaain, der arme Bub ist krank. Iss noch ein Häppchen, Lutschi-Bub!“ und reicht ihm ein mentholduftendes Leckerli. „Für die Lunge“, erläutert sie.
Woraufhin Frau Reitlehrerin ihr pädagogisches Lächeln aufsetzt und erklärt: „Im Stand wird die Pferdelunge eher wenig durchlüftet. Pferde müssen galoppieren, damit die Lunge gescheit arbeitet und Sauerstoff in den Körper kommt. Rumstehen und Essen hat noch keinem Asthmatiker geholfen, ganz im Gegenteil: Übergewicht macht das Atmen nur schwieriger.“
„Der Lutschi hat doch kein Übergewicht!“ Die sogenannte Besitzerin ist empört.
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„Aber Rippen hat er auch keine. Jedenfalls keine, die man fühlen kann“, findet Frau Reitlehrerin. „Was hat der Lutschi denn für eine Atemfrequenz?“
„Woher soll denn ich das wissen?“
„Die Atmung kannst du fühlen, an den Nüstern. Und wenn du fünfzehn Sekunden lang Atemzüge zählst und die mal vier nimmst, bekommst du die Atemfrequenz pro Minute. In Ruhe sind acht bis sechzehn Atemzüge normal, bis dreißig ist nicht normal, aber in unserem Fall tolerierbar. Das heißt, bis zu einer Atemfrequenz von dreißig in Ruhe könntest du den Lutschi kontrolliert und gezielt bewegen, ab dreißig solltest du den Tierarzt rufen.“ Frau Reitlehrerin schränkt ein: „Das ist aber nur meine Meinung und meine Erfahrung. Wenn du es ganz genau wissen willst, kannst du entsprechende Fortbildungen buchen, was bestimmt nicht schadet.“
Die Frau hats ja nicht so mit Wissenschaft und winkt dankend ab.
Nachdem feststeht, dass der Lutschi aktuell eine Atemfrequenz von zwanzig hat, erklärt Frau Reitlehrerin: „Du könntest ihn jetzt zehn Minuten Schritt führen und ihn dann an die Longe hängen, am besten irgendwo, wo es schattig ist und nicht staubig. Da lässt du ihn ein paar Runden traben, parierst durch und ermittelst wieder die Atemfrequenz. Damit du ein Gefühl dafür bekommst. Und dann darf der Lutschi gern galoppieren, wobei du da dann auch nach wenigen Runden die Atmung kontrollierst. Sie sollte nicht über sechzig Atemzüge pro Minute kommen. Inhaliert hat er schon, oder?“
Die Frau nickt.
„Prima, dann wird sich beim Traben und Galoppieren ja einiges an Schleim lösen. Nicht erschrecken, wenn der Lutschi hustet, das heißt in seinem Fall, dass sich dann der Schleim löst und abgehustet wird. Bei equinem Asthma wird permanent neuer Schleim produziert, das hat der Tierarzt ja neulich erklärt.“
Hat er das? Die sogenannte Besitzerin ist überfragt. So viele neue Eindrücke und Informationen, das muss erstmal verarbeitet werden. Der Lutschi blinzelt schläfrig und hört ebenfalls konzentriert weg.
Frau Reitlehrerin spricht weiter: „Und dieser Schleim soll ja aus dem Körper heraus. Dafür ist Galopp die beste Gangart. Am besten als Intervalltraining, das heißt, ein paar Runden Galopp, je nach Kondition und Wetter, und dann die Atmung kontrollieren und eine Schrittpause einlegen. Wenn die Atmung nur leicht erhöht ist, darf er gern mehr galoppieren. Wenn er dagegen angestrengt schnauft oder Schlauchgeräusche bekommt, hörst du am Besten auf und führst ihn noch abschließend zehn Minuten Schritt. Was auch sehr wichtig ist: Dass du dir jeden Tag notierst, wie die Atmung vor und nach der Bewegung war und auch, wie du ihn bewegt hast.“
„Du meinst, ein Trainingstagebuch, nur für die Lunge?“ Ein Trainingstagebuch ist natürlich eine coole Sache. Die Frau macht ein wichtiges Gesicht.
„Genau“, nickt Frau Reitlehrerin. „Und da wirst du wahrscheinlich feststellen, dass sich die Atmung durch Bewegung verbessert. Und dass Bewegung dabei hilft, den Schleim aus dem Körper zu transportieren und dafür mehr Sauerstoff in den Körper hineinkommt.“
„Schleim raus, Sauerstoff rein“, fasst die Frau zusammen und Frau Reitlehrerin nickt. Und ich glaube, jetzt ist Schluss mit dem lauen Leben für das spanische Mähnenwunder. Die Frau geht jedenfalls schon mal die Longe suchen. „Ich glaube, ich weiß sogar, wo die ist“, teilt sie noch mit, danach hört man Poltergeräusche. Das mit dem Lungensport kann also vielleicht noch dauern 😀
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