Für euch gelesen:
Der Dressursitz: Richtig sitzen – Feiner reiten – Gesunder Pferderücken

„Wusstest du schon, dass die Reitanfänger früher als erstes auf ein piaffierendes Lehrpferd gesetzt wurden, um den richtigen Sitz zu lernen?“
Nein, wusste der Mann noch nicht und ist ihm auch egal, denn piaffierende Pferde haben wir hier nicht, nur eine Frau, die dringend piaffieren möchte und dafür sogar bereit ist, an ihrem Sitz zu arbeiten. Um herauszufinden, was genau da zu tun ist, studiert sie Der Dressursitz. Zum einen, weil es ein wirklich schönes Buch ist, mit vielen Fotos, auf denen man schönes, harmonisches Reiten sieht, zum anderen, weil „Mit Frau Reitlehrerin allein klappt es ja nicht. Vielleicht hat die in Wirklichkeit ja gar keine Ahnung“. Das allerdings nur geflüstert, und Frau Reitlehrerin darf es nie erfahren.

Aber hier erstmal die Eckdaten:

Der Dressursitz: Richtig sitzen – Feiner reiten – Gesunder Pferderücken
Anja Beran unter Mitwirkung von Veronika Brod
Crystal-Verlag
176 Seiten mit vielen Fotos/ 39,90 EUR

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Passenderweise beginnt das Buch mit dem Reitenlernen, wo die sogenannte Besitzerin erfährt, dass das beste Pferd für den Anfänger gerade gut genug ist. Ach daran liegt es! Hätte sie direkt mit Maestoso Valpolicella losgelegt, würde sie wahrscheinlich längst Piaffen und Passagen aus dem Ärmel schütteln. Aber so war es ein braves Schulpferd und das ist jetzt daran schuld, dass die sogenannte Besitzerin reiterlich nix auf die Kette kriegt. Wahlweise noch der Mann und ich, wir sind je nach Tagesform auch am Klimawandel und der aktuellen Weltpolitik schuld. Das spanische Mähnenwunder natürlich nicht, das ist eine engelsgleiche Lichtgestalt und ein Unschuldslamm vor dem Herrn. Weil es ja so lieb gucken kann mit seinen Stirnzotteln und dem Schlafzimmerblick. Aber jetzt nicht stören, die Frau liest.

Und erfährt, dass man außer einem guten Lehrpferd und einem guten Lehrer noch eine angenehme Lernatmosphäre braucht. Weil man halt nix lernt, wenn man gestresst ist. Das gilt übrigens nicht nur für Menschen. Was man auch direkt von Anfang an lernen sollte: gutes Benehmen im Sattel – dass man nicht grob ist, sich nicht an den Zügeln festhält und so weiter. Also die Dos und Don`ts beim Reiten. Eigentlich logisch, denkt sich die Frau, macht sich aber auf jeden Fall gedankliche Notizen. Dann sind wir auch schon beim Sattel, der bestimmte Voraussetzungen erfüllen muss, um den korrekten Dressursitz zu unterstützen. Der muss nämlich unter anderem ein bequemes Sitzen „breit im Becken“ erlauben, wodurch der Oberschenkel locker herabfällt und nicht durch Pauschen fixiert ist. Traurig denkt die Frau an ihre geliebte Sitzprothese, die sie so wunderbar schmal hinsetzt, und blättert schnell weiter. Nach einem kleinen Exkurs zum Thema Kleidung, den sie sehr aufmerksam und mit einem Einkaufszettel in der Hand verfolgt, kommen wir zu Longenstunden und der Notwendigkeit, theoretisches Wissen zu erwerben.

Und dann sind wir auch schon im Abschnitt Fortgeschrittene Aspekte. Na endlich, das wurde ja auch Zeit, denkt die sogenannte Besitzerin. In den nachfolgenden Kapiteln wird der Sitz in allen möglichen Lektionen beschrieben, auch in der Piaffe und der Passage. Herrlich! Die Frau ist überglücklich und fühlt sich bestens für diese anspruchsvollen Übungen gerüstet. Nur eins kommt ihr komisch vor: Frau Beran fordert sie im Buch wiederholt dazu auf, ihr Vorstellungsvermögen zu bemühen und hat auch das ein oder andere innere Bild zur Verdeutlichung von Sitz und Hilfengebung gewählt – so, wie es Frau Reitlehrerin im Unterricht auch tut. Und in ihr keimt ein fürchterlicher Verdacht: Sollte Frau Reitlehrerin etwa recht haben mit den uncoolen inneren Bildern und den noch viel uncooleren Korrekturen?

Bevor das hier zu nachdenklich wird, liest sie lieber weiter und entdeckt das interessante Kapitel Der Umgang mit den Sporen, in dem selbiger geschildert wird. Differenziert soll der Sporn einwirken und auf den Zentimeter genau. Was der Reiter dafür mit seinem Körper tun muss, erklärt Frau Beran detailliert. Ein anderer Aspekt, der ihr sehr am Herzen liegt, ist das Aufnehmen der Zügel, dem ein eigenes Kapitel gewidmet wird und in dem sie vorschlägt, alle Lektionen, die man in Anlehnung reiten kann, auch mal ohne Anlehnung auszuprobieren. „Der sogenannte Handwerkertest: Handwerkst du noch oder reitest du schon“, kichert die Frau, die ähnliches bereits bei Frau Reitlehrerin ausprobieren musste. So lustig kenne ich sie gar nicht.

Nach einem Exkurs zum Thema Atmung und Mentales beginnt auch schon der zweite Teil des Buchs. Er heißt Der Dressursitz aus der Betrachtungsweise einer Physiotherapeutin. Hier kommt Veronika Brod, eine Tänzerin und Physiotherapeutin, zu Wort. Sie hat noch einmal einen ganz anderen Ansatz und spürt Sitzfehler dort auf, wo sie ihren Ursprung haben. Frau Brod erklärt die aufrechte Haltung aus physiotherapeutischer Sicht und stellt diverse Haltungsfehler vor und – ganz wichtig!- was man dagegen tun kann. Nach Haltungsanalyse und -korrektur wird erklärt, wie man das Körpergefühl schult und so zu einer besseren Eigenwahrnehmung gelangt. Es folgen zahlreiche Übungen für mehr Flexibilität und Stabilität. Zum Schluss wird wieder der Bogen zu Dressurlektionen geschlagen und es gibt ein Bilderrätsel, bei dem man anhand der Hilfengebung des Reiters (ohne Pferd!) erraten soll, welche Lektionen geritten werden sollen. Oder anhand der ebenfalls gezeigten Sitzfehler. Also das, was Frau Reitlehrerin in jeder Reitstunde machen muss 😉

Pro: Eine umfassende Ausarbeitung zum Dressursitz, in der wirklich auf alle Aspekte eingegangen wird. Mit vielen inspirierenden Fotos für gute innere Bilder.

Contra: Spannende Themen wie Tiefatmung und Haltungskorrektur werden angesprochen, sollen aber nur mit fachmännischer Hilfe bearbeitet werden. Warum? Atmen und Gymnastik ist ja jetzt keine Raketenwissenschaft. Wobei: wenn ich mir die sogenannte Besitzerin so angucke, schon 😛

Fazit: Ein Buch für alle, die kultiviert und fein reiten und an ihrem Sitz arbeiten wollen. Kaufempfehlung!

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