Mit deinem Pferd ist das ja total einfach

„Gibst du wohl den Huf!“ Die sogenannte Besitzerin zerrt an meinem Vorderbein. Ich habe beschlossen, heute mal meine standhafte, wenn auch verspielte Seite zu zeigen und stehe wie eine deutsche Eiche. Außer, wenn ich meinen Anbindestrick aufknote. Dann gehe ich weg. Aber eins nach dem anderen.

„Los jetzt, hoch mit dem Huf!“

Ich habe heute leider keinen Huf für dich.

Wie jetzt? Man kann förmlich sehen, wie es in der Frau arbeitet. Und dann wird es relativ dynamisch, weil sie mich heimtückisch schubst, so dass ich kurz ein Bein vom Boden hebe. Sie, überraschend reaktionsschnell, schnappt sich das Bein und bringt es in Hufauskratz-Position. Nur schade, dass sie gerade keinen Hufkratzer in der Hand hat und der Putzkasten in unerreichbarer Ferne ist.

Hmpf. Sie stellt mein Bein wieder ab, geht zum Putzkasten, bewaffnet sich mit dem Hufkratzer und schubst mich nochmal, denn, so ihr Gedanke, was einmal klappt, klappt auch zweimal.

Für einen kurzen Moment hat sie beides, Huf und Hufkratzer. Dann erinnere ich mich wieder an die deutsche Eiche und ziehe ihr das Bein aus der Hand. Ist ja schließlich meins und ich brauche es zum Draufstehen.

Schön hier in der Sonne. Verträumt entlaste ich ein Hinterbein und will gerade ein Nickerchen machen, als sich die sogenannte Besitzerin wie ein böser Geist auf das nämliche Hinterbein stürzt und es mir nach hinten herauszieht. Ich finde das sehr unangenehm und deute neckisches Ausschlagen an. Das wirkt. Sie lässt das Bein los und zetert dafür wie ein Rohrspatz.

Frau Reitlehrerin, die ihren Dieter ein Stück weit entfernt putzt, unterbricht ihre Tätigkeit und kommt neugierig näher. Gottseidank, dann kann die der Frau schön erzählen, dass ich heute keine Lust habe und ein Freizeitpferd bin, mit Betonung auf Freizeit. Wo kommen wir denn hin, wenn die Frau ständig hier herumlungert und mich beim Schlafen oder Essen stört.

„Was macht ihr denn da?“, erkundigt sich Frau Reitlehrerin. Ihr Dieter steht währenddessen unangebunden auf seinem Platz.

Ich drehe mich herum, um Frau Reitlehrerin zu begrüßen. Leider latsche ich dabei in meinen Putzkasten, der in seine Bestandteile zerfällt. Die sogenannte Besitzerin merkt das gar nicht. Während sie mit Frau Reitlehrerin spricht, füttert sie mich geistesabwesend mit Leckerli. Sie kann sich nämlich nicht auf zwei Sachen gleichzeitig konzentrieren. Wahrscheinlich vergisst sie gleich das Atmen. Hoffentlich erst, wenn die Leckerlis alle sind. Und das erzählt sie: „Der Pfridolin hat so einen schwierigen Charakter. Heute zum Beispiel will er mir die Hufe nicht geben. Und seinen Anbindestrick hat er auch schon aufgeknotet und still stehen will er schon gar nicht. Außer, wenn ich seine Hufe auskratzen will. Du hast es gut, dein Pferd ist so brav. Mit dem Dieter ist ja alles total einfach. Ich beobachte euch nämlich schon lange und da ist mir oft aufgefallen, wie brav der Dieter ist und wie wild meine Pferde sind.“

Unter uns: der Lutschi, was unser spanisches Mähnenwunder ist, ist ungefähr so wild wie eine sedierte Schnecke. Und mein aktuelles Hobby ist Energiesparen, was ja in der freien Wildbahn sehr wichtig und überlebensnotwendig ist.

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Frau Reitlehrerin weiß nicht recht, ob sie lachen oder weinen soll. Sie entscheidet sich für ein Mittelding, nämlich ihr pädagogisches Lächeln. Und dann setzt sie der Frau langsam und gefühlvoll auseinander, dass es sinnvoll ist, Pferden eine gewisse Grunderziehung zukommen zu lassen.

„Aber der Pfridolin ist mein Freund“, entrüstet die sich und holt die Leckerli aus der anderen Jackentasche raus. Die eine ist mittlerweile leer.

„Auch für den Lutschi wäre das gut“, fährt Frau Reitlehrerin fort.

„Waaaaas? Der Lutschi ist mein Seelenpferd! Außerdem sind die beiden so schwierig, vom Charakter her. Und es sind halt keine Schlaftabletten, die haben Temperament! Du weißt gar nicht, wie gut du es mit dem Dieter hast.“

Dieter, der langweilige Streber, steht immer noch auf seinem Platz und guckt entspannt. Ich glaube fast, der fühlt sich wohl. Verrückt. Das spanische Mähnenwunder rappelt an seiner Boxentür und möchte offensichtlich an dem Gespräch teilnehmen. Weil ihn keiner beachtet, bollert er mit den Hufen gegen die Tür.

Weshalb Frau Reitlehrerin etwas lauter spricht: „Jedes Pferd benötigt eine Grunderziehung. Bestimmte Basics müssen einfach abrufbar sein. Hufe geben, halfterführig sein, beim Putzen stehen bleiben, solche Dinge halt. Das ist auch praktisch, wenn der Tierarzt deine Pferde mal untersuchen will. Da ist es günstig, wenn die sich überall berühren lassen.“

„Die sind beide gewaltfrei erzogen“, antwortet die Frau. „Wenn die nicht wollen, müssen die auch nicht Hufe geben.“

* Ich kann auch Bücher!

„Ich spreche auch nicht von Gewalt, sondern von Konsequenz“, antwortet Frau Reitlehrerin tiefenentspannt, während die Frau langsam hektische Flecken kriegt. Immer diese unterschwellige Kritik an ihrem Erziehungskonzept!

Die Kekse sind alle. Ich beiße versuchsweise in die Jacke, um herauszufinden, ob es weitere Taschen mit Leckerli gibt. Worauf die sogenannte Besitzerin einen mittelschweren Wutanfall bekommt.

„Dazu gehört es auch, Grenzen zu setzen und konsequent darauf zu achten, dass die eingehalten werden.“

„Boah nee, das ist voll anstrengend! Da muss man ja immer aufpassen und sich konzentrieren und so. Und das in der Freizeit!“, fällt der Frau auf.

„Aber dann kannst du mit ihnen auch Dinge tun, die andere nicht können“, meint Frau Reitlehrerin und sieht vielsagend zu Dieter. „Dem habe ich beigebracht, unangebunden stehen zu bleiben. Und wenn ich ihn rufe, kommt er.“

Die Frau platzt vor Neid. Das würde sie auch gern können!

Und ich habe genug gehört. Mittlerweile kenne ich die sogenannte Besitzerin gut genug, um einschätzen zu können, was auf uns zukommt: ein Erziehungs-Bootcamp, das sich gewaschen hat. Deshalb suche ich auf diesem Weg ein neues Zuhause für eine mittelalte Person mit großem Schimpfwortschatz. Wenn sie gute Laune hat, ist sie großzügig mit den Leckerli und kann einen auch gut an Stellen kratzen, wo es einen juckt. Wenn sie schlechte Laune hat, will sie Piaffe reiten. Das würde ich an Stelle des neuen Besitzers unbedingt vermeiden 😛

Bild: Feuriges Temperament

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