Ohne alles

Die Frau, meine sogenannte Besitzerin, war wieder im Internet und hat da was gesehen. Und das will sie jetzt auch. „So schön!“, schwärmt sie Frau Reitlehrerin vor. „Voll harmonisch und schön und überhaupt! Und das mach ich jetzt auch.“

„Und klappt das?“

„Noch nicht so toll“, gibt die Frau zu. „Meistens steht der Pfridolin nur rum und frisst.“

Und ich weiß gar nicht, wo da das Problem ist. Essen ist gut, essen ist wichtig und essen ist lecker.

„Was probierst du denn aus?“, erkundigt sich Frau Reitlehrerin.

„Ich will ohne alles reiten, wie die im Internet. Ohne Sattel und ohne Trense. Aber die anderen lassen mich so nicht in die Halle. Die haben ja alle keine Ahnung“, schnauft die Frau böse. „Und deshalb gehe ich auf den Platz.“ Und wie euch der Pfridolin eures Vertrauens bestätigen kann, wächst da ringsherum Gras.

„Und geht das gut, ohne Sattel?“

„Im Schritt schon“, findet die Frau. „Trab eher nicht und Galopp hab ich mich nicht getraut.“

„Und die Lenkung?“

„Man kann lenken?“, staunt die sogenannte Besitzerin.

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Und also befinden wir uns jetzt im Reitunterricht, wo Frau Reitlehrerin die sogenannte Besitzerin in die Kunst des „ohne alles“ einweiht.
Zuerst fragt sie aber. „Wann bist du denn das letzte Mal mit dem Halsring geritten?“

Och. Pfüh. Bei der Frau ist bekanntlich alles, was länger als eine halbe Stunde zurückliegt, grauer Nebel. „Weiß nicht“, antwortet sie schließlich. „Aber Halsring war ja auch doof. Ohne alles, mit der Kraft meiner Gedanken reiten, das ist das einzig Wahre!“

Frau Reitlehrerin lächelt erst tapfer, dann pädagogisch und erklärt, dass Halsring und „ohne alles“ nur Abstufungen derselben Sache sind. Nämlich des Reitens aus dem Sitz heraus.

„Und wie soll das gehen?“

„Genau wie beim normalen Reiten auch. Du erinnerst doch an die Hierarchie der Hilfen?“ Prüfender Blick auf die Frau. Die guckt ahnungslos zurück. Also eher nicht. Frau Reitlehrerin erklärt. „Du wirkst zuerst mit deinen Gedanken ein, nämlich dem inneren Bild, das du davon hast, was in der nächsten Sekunde passieren soll.“

Oha. Man muss also die ganze Zeit denken. Eine interessante Herausforderung, findet die sogenannte Besitzerin.

„Als Nächstes kommen die Gewichtshilfen, dann die Schenkelhilfen und ganz zuletzt die Zügelhilfen.“

„Ich dachte, es passiert alles magisch und von ganz allein.“ Die Frau ist ernüchtert.

„Wir können das ja einfach mal ein bisschen vorbereiten“, schlägt Frau Reitlehrerin vor. „Als Erstes machst du einen Knoten in die Zügel und lässt deine Arme lang am Körper herunterhängen. Und nur im alleräußersten Notfall darfst du zu den Zügeln greifen, das ist deine allerallerletzte Rückfallebene, wenn gar nichts mehr geht.“

Die Frau nickt tapfer und knotet drauflos.

„Zuallererst schauen wir, ob du den Pfridolin aus deinem Sitz heraus, gern auch in Kombination mit einer Stimmhilfe, anhalten kannst.“

Das Whoa-Training liegt noch nicht lang zurück. Ich erinnere mich wahrscheinlich besser daran als meine Reiterin, die vor Schreck, fast das Gleichgewicht verliert, als ich demonstriere, wie sich eine zünftige ganze Parade anfühlt.

„Also die Bremse funktioniert“, scherzt Frau Reitlehrerin. „Kommen wir nun zur Lenkung. Wende den Pfridolin doch mal auf einen Zirkel ab. Aus deinem Sitz heraus.“

Der erste Zirkelpunkt kommt, der nächste, dann noch einer und dann sind wir auch schon einmal außen rum. Aber da baut uns Frau Reitlehrerin eine goldene Brücke. „Ich baue euch eine Dualgasse bei X auf, das ist euer Weg. Kurz vor dem Zirkelpunkt guckst du dem Pfridolin zwischen den Ohren durch und auf die Gasse, so dass du den Weg, den du reiten willst, wie eine Linie vor dir siehst.“ Außerdem stellt sich Frau Reitlehrerin noch passend so auf, dass das Abwenden auf den Zirkel auf jeden Fall gelingt. In der Gasse angekommen, darf ich nochmal mein Whoa zeigen und werde sehr gelobt. Die Frau auch. „Und genau das machst du jetzt bei jedem Zirkelpunkt“, erklärt Frau Reitlehrerin.

Oje. Die Frau seufzt. So viel Denken und Konzentration, das ist nichts für sie.

Aber Frau Reitlehrerin hat Energie und gute Laune für eine ganze Großfamilie. „Ich stelle auch an den anderen Zirkelpunkten Pylone auf, durch die ihr in der Mitte durchgeht. Das hilft dir beim Fokussieren und Lenken.“

Und das ist natürlich prima, weil es mir auch hilft. Außerdem: Wenn ich die Idee einmal verstanden habe, unterstütze ich das Frauchen auch. Robin Hood ist quasi mein zweiter Vorname. So nach dem Motto: Tue Gutes und sprich darüber. Und wo die Zirkel jetzt im Schritt so gut klappen, probieren wir es auch im Trab.

Und zur Krönung auch noch auf der anderen Hand. Und wieder zurück. Und nochmal ein Handwechsel. Und gerade, wo es besonders gut läuft und die sogenannte Besitzerin locker-flockig schön in der Bewegung sitzt, lässt uns Frau Reitlehrerin durchparieren, lobt uns beide sehr und verkündet: „Mit diesem schönen Erfolgserlebnis hören wir für heute auf.“

Die Frau bekommt aber noch ein bisschen extra Theorie. „Das, was du jetzt gemacht hast, war Reiten aus dem Sitz heraus“, erklärt Frau Reitlehrerin. „Du kannst vom Grundsatz her fast alles ohne Zügel oder sogar ohne Trense reiten, wenn du dein Pferd fein auf deine Sitzhilfen abstimmst. Wenn noch andere Reiter in der Halle oder auf dem Platz sind, ist es aber sicherer, wenn der Pfridolin für Notfälle eine Trense trägt. Wenn er aus Übermut durchstartet, sich erschreckt oder sich von anderen Pferden anstecken lässt.“

„Oder wenn er am Rand des Reitplatzes Gras fressen will“, seufzt die sogenannte Besitzerin. Und ich weiß gar nicht, was sie hat, ich finde, das macht immer schöne Stimmung 😛

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