Die sogenannte Besitzerin mag nicht mehr ausreiten. Gar kein bisschen. Noch nicht mal die itzi-bitzi-winzige Zehn-Minuten-Runde einmal um den Hof. Anscheinend haben die Beruhigungskräuter aus der Futterkammer ihre Wirkung verloren. Letzte Woche sind wir noch durch die Wälder gebrettert, als gäbe es kein Morgen mehr. Und jetzt? Fehlanzeige. Weil ich möglicherweise letztens zu gut auf uns beide aufgepasst habe. #frauchenretter, ihr erinnert euch. Wenn was Gefährliches im Gebüsch lauert, gehe ich kein Risiko ein und bringe uns beide in Sicherheit, ob die Frau das nun will oder nicht. Wenn nichts Gefährliches im Busch lauert, laufe ich allerdings auch schnell wie der Blitz daran vorbei. Ich will ja nicht warten, bis es irgendwann mal gefährlich wird.
Und jetzt will das Frauchen nicht mehr ins Gelände. Auch nicht mit dem Mann. Vielleicht noch mit Frau Reitlehrerin, aber die muss sich da schon richtig Mühe geben. „Wovor hast du denn am meisten Angst?“, fragt sie.
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„Dass der Pfridolin losrennt und ich ihn nicht durchparieren kann“, piepst die Frau.
„Das ist eine berechtigte Sorge“, findet Frau Reitlehrerin. „Dagegen kann man aber etwas tun.“
„Ja?“ Hoffnung keimt im Blick der Frau.
„Ja. Wir bauen eine Notbremse ein.“
„Wie du das immer sagst. Als ob das so einfach wäre.“
„Wenn du sorgfältig und konsequent vorgehst, ist es keine Raketenwissenschaft. Du musst aber darauf achten, das betreffende Stimmkommando nur dann zu verwenden, wenn du es ernst meinst. Im Westernreiten verwendet man das Wort Whoa, du kannst aber auch jedes andere Wort nehmen. Wichtig ist, dass der Pfridolin lernt, dass er bei diesem Stimmkommando sofort stehen bleiben muss und erst dann weitergehen darf, wenn du ihn mit einem Leckerli belohnt hast.“
„Das hört sich machbar an“, findet die Frau.
Frau Reitlehrerin lächelt bestätigend. „Wenn du es einmal etabliert hast, ist das Wort Whoa dein mächtigstes Stimmkommando. Whoa muss immer immer immer dazu führen, dass der Pfridolin stehenbleibt und solange steht, bis du das Kommando mit einem Leckerli beendest. Immer.“
Jetzt guckt Frau Reitlehrerin ernst. Anscheinend ist das wirklich wichtig. Die Frau ist so beeindruckt, dass sie wortlos nickt.
„Also. Wir fangen am Boden an, am besten mit Knotenhalfter oder Kappzaum. Du gehst mit dem Pfridolin im Schritt an, sagst Whoa und er muss sofort stehen. Das wird zu Anfang nicht funktionieren, weil er das Stimmkommando ja noch nicht kennt. Also sagst du Whoa und bleibst selbst betont stehen. Reagiert der Pfridolin nicht auf deine Körpersprache und pariert nicht zeitgleich durch, ruckelst du am Strick. Wenn er dann steht, lobst du ihn. Das wiederholst du, bis er auf das Stimmkommando sicher und sofort steht.“
„Ok“, meint die sogenannte Besitzerin.
Frau Reitlehrerin spricht weiter: „Wenn er das Kommando kennt und es dann ignoriert, richte ihn zwei Schritte rückwärts (ohne Lob, weil es eine Korrektur ist), geh wieder an und sag nochmal Whoa. Meist klappt es dann besser, das Pferd steht und wird sofort gelobt. Sei hierbei wirklich, wirklich konsequent.“
Die sogenannte Besitzerin staunt, wieviel Wert Frau Reitlehrerin auf die Details legt. Anscheinend ist es extrem wichtig, auf die kleinste Kleinigkeit zu achten.
Aber Frau Reitlehrerin ist noch nicht fertig. „Wenn das Kommando Whoa bekannt ist, können wir darangehen, die Zeit auszudehnen, die der Pfridolin stehen muss. Bei jedem Whoa lässt du ihn drei Sekunden stehen, du zählst also innerlich einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, danach gibt es ein Leckerli. Den Zeitraum kannst du später verlängern.“
Leckerli. Coole Sache. Ich spitze die Ohren.
„Wichtig: er darf sich in den drei Sekunden nicht von der Stelle rühren“, mahnt Frau Reitlehrerin. „Tut er das doch, richtest du ihn rückwärts auf den Platz, von wo er weggegangen ist. Du sagst nochmal Whoa und wartest wieder drei Sekunden. Bleibt er brav stehen, gibt es ein Leckerli. Die Pferde verstehen schnell, dass sie an einer bestimmten Stelle warten sollen, bis es eine Belohnung gibt.“
„Wenn da Gras wächst, stelle ich mir das schwierig vor,“ überlegt die sogenannte Besitzerin. So viel Durchblick hätte ich ihr gar nicht zugetraut.
„Da hast du natürlich recht. Am besten geht ihre für eure Bodenarbeit an einen Ort, wo es keine Versuchungen gibt und wo es sehr wahrscheinlich ist, dass die Übung gelingt.“
Diese Pferdetrainer arbeiten doch mit allen Tricks, denkt die Frau. Was man sich vorher für Gedanken machen muss, wenn man seinem Pferd was beibringen will. Tssss.
„Die nächste Steigerung ist, dass der Pfridolin drei Sekunden lang stehenbleibt, wenn du dich ein, zwei Meter von ihm entfernst. Du hast ja das lange Bodenarbeitsseil, das hat eine gute Länge für diese Übung. Und falls er sich von der Stelle bewegt, bist du schnell bei ihm, um ihn zu korrigieren und ihn auf seinen Ausgangspunkt zu positionieren. Macht er brav mit und bleibt stehen, wenn du ein bisschen von ihm weggehst, bekommt er nach drei Sekunden sein Leckerli und wird aus dem Gehorsam entlassen, er darf sich also bewegen. Wenn du das mit dem Whoa auf diese Art einübst, klappt es später auch von oben, wobei du das natürlich auch erst im Schritt versuchst.“
„Wie mach ich das denn? Reite ich eine ganze Parade und sage dabei das Wort?“
„Am besten kippst du dein Becken ab und sagst gleichzeitig Whoa. Wenn er nicht reagiert, kannst du mit dem Zügel nachhelfen. Denn es ist wichtig, dass der Pfridolin bei jedem Whoa, das du sagst, stehenbleibst. Ohne Ausnahme. Später kannst du dann die Zügel nur an der Schnalle fassen und das Anhaltewort sagen. Wenn auch das gut klappt, kannst du das Wort auch mal im Trab oder Galopp abfragen. So, wie wir es verwenden, ist das Whoa aber keine Dressur- oder sonstige gymnastizierende Lektion, sondern es dient dir als Notbremse im Gelände.“
„Krass“, staunt die sogenannte Besitzerin. „Kann dein Dieter das auch?“
„Ja, das Whoa hat uns im Gelände schon ein paarmal geholfen. Manchmal sind auch wir dynamischer unterwegs und da ist ein Stimmkommando als Unterstützung sehr nützlich, vor allem in brenzligen Situationen in der Nähe von starkbefahrenen Straßen.“ Frau Reitlehrerin lacht fröhlich und geht ihrer Wege.
Die Frau und ich bleiben zurück und staunen. Da hat die Frau doch in dem kurzen Gespräch gefühlt mehr gelernt als in zehn Reitstunden, und das will erst mal verarbeitet werden.
Ich dagegen habe mir gemerkt, dass es Leckerli gibt. Krass.
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