Fellwechsel is coming

Meine Besitzerin hat einen niedlichen Teddyplüsch im Gesicht, meine Haut fühlt sich an wie Frikassee und mir tut jedes einzelne Haar weh. Und warum? Weil die Frau beschlossen hat, mein Fellwechsel müsste heute stattfinden. Erwähnte ich bereits, dass Geduld nicht ihre größte Stärke ist? Warum also wochenlang täglich flauschige Fellbällchen aus mir herausstriegeln, wenn man mir doch hier und jetzt alles auf einmal ausreißen kann und die Haut gleich mit?

Bei der Umsetzung dieses teuflischen Planes kommen diverse Mordwerkzeuge zum Einsatz, allen voran der Furminator. Das spricht sich so ähnlich wie Terminator und genauso wirkt es auch. Dann gibt es noch den Federstriegel (geht so. Ruppig und pieksig.), den Nadelstriegel (bei richtiger Anwendung ganz angenehm. Aber in den zwei linken Händen der Frau? Vergesst es!) und den Gummistriegel (fühlt sich bei geschicktem Einsatz an wie Fellchenkraulen mit den Zähnen. Bei uns also eher nicht.)

Kann mal bitte jemand meiner empathiefreien Eigentümerin sagen, dass Haareausreißen weh tut? Und dass es weniger mit Fellpflege als mit Flächenakupunktur zu tun hat, was diese Mordinstrumente mit meiner zarten Haut veranstalten? Überhaupt finde ich es grob fahrlässig, solche Enthaarungsartikel ohne Waffenschein an Grobmotoriker wie mein reizendes, aber ungeschicktes Frauchen auszuhändigen. So. Das musste mal gesagt werden.

Sie schrubbt und rupft mit Vehemenz an meinem zarten Fell und der noch zarteren Haut herum. Zeitgleich wird gezetert. Warum alle Haare in ihrem Gesicht und dort vorzugsweise in ihrem Mund landen würden? Und wer sich das ausgedacht habe, dass sich die Früchte ihrer harten Arbeit auf ewig mit ihrer Kleidung verbinden würden? Und wieso ich mir überhaupt dauernd ein neues Fell zulegen würde? Immerhin würde sie mich doch jahrein, jahraus liebevoll eindecken. (Da hat sie recht. Der Lutschi und ich nennen mittlerweile die größte Deckenkollektion am Stall unser eigen, und der Mann darf nie erfahren, was all diese sogenannten Schnäppchen gekostet haben 😉).

Wenn sie beim Reiten genauso hingebungsvoll Frau Reitlehrerins Anweisungen befolgen würde wie sie mir das Winterfell ausreißt, könnten alle Reitgurus einpacken. Oder sich warm eindecken, je nach Jahreszeit. Habt ihr schon mal versucht, euch die Haut mit einer Drahtbürste zu schrubben oder – was der Sache vom Effekt her sehr nahe kommt – sie gleich flächig abzuziehen? Komisch, die Frau auch nicht. Warum nur?

Während ich diesen Gedanken nachhänge und auf dem Putzplatz meinen Namen tanze, reißt sie mir ein weiteres Büschel Fell aus. Mitsamt den Wurzeln, da bin ich mir sicher. Ich tanze noch ein paar Buchstaben. Die Frau meckert.

Angelockt durch den Lärm, den meine mordlustige Besitzerin und mein mittlerweile kahlgerupfter Körper veranstalten, erscheint Frau Reitlehrerin, die uns mit großen Augen mustert. Wider Erwarten stehen wir nicht inmitten einer großen Blutlache. Auch liegen keine abgetrennten Körperteile herum, die den vorangegangenen Lärm erklären würden.

Auf ihre vorsichtige Frage, was denn hier los sei, antwortet die Frau nicht ganz wahrheitsgemäß, sie würde mich putzen. Zum Beweis hält sie den Furminator hoch. Ich verdrehe die Augen und gucke gepeinigt. Worauf Frau Reitlehrerin der Frau mit dem Gemeinplatz kommt, Putzen solle eine angenehme Massage für das Pferd sein, die die Durchblutung anrege (ich gucke furchtsam auf den Boden – blute ich etwa schon?) und insgesamt eine wohltuende Erfahrung. Man sollte die Pferde so putzen, dass die das genießen können.

Die Frau schmollt. Andere Pferde hätten auch kein solches Winterfell wie ich. Der Lutschi zum Beispiel.

*

Der wäre ja auch kein heimisches Gewächs und vom Fell her überhaupt nicht auf die hiesigen Temperaturen eingestellt, antwortet Frau Reitlehrerin.

Die Frau lässt die Schultern hängen, als sie erkennt, dass sie doch nicht das Opfer einer internationalen Pferdeverschwörung geworden ist.

So ein Fellwechsel dauere nun mal seine Zeit, fährt Frau Reitlehrerin fort. Und das wären mehrere Wochen. Die ersten Haare würden rieseln, sobald die Tage wieder länger werden. Und in dieser Zeit wäre auch das Immunsystem anfälliger als sonst. Vor allem der Fellwechsel im Frühjahr sei anstrengend für die Pferde, weil das komplette Haarkleid erneuert werde. Einmal komplett alt gegen neu.

Ich weiß auch, wohin die alten Haare vom Pfridolin gehen, murmelt die Frau und pult sich verdrießlich ein Haarbüschel von der Zunge.

Meinst du eigentlich, es war eine gute Idee, beim Putzen die Jacke auszuziehen und dich in den ausgekämmten Haaren zu wälzen?, fragt Frau Reitlehrerin.

Das hab ich gar nicht, heult die Frau auf. Die Haare fliegen überall rum!

Sieht aber putzig aus, befindet Frau Reitlehrerin. Du mit Haaren auf dem Rücken.

Und auf den Zähnen, denke ich. Aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab sowieso keine Ahnung 😉

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