Wozu Bodenarbeit, wenn man doch reiten kann?

Ich weiß nicht, ob euch das schon aufgefallen ist, aber es ist furchtbar, furchtbar warm. Das spanische Mähnenwunder und ich wollen schon gar nicht mehr auf die Weide, weil wir die a) schon leergefressen haben und es da b) weder Springbrunnen noch c) eine Klima-Anlage gibt. Und die paar Bäumchen am Rand kann man nicht so wirklich ernstnehmen. Vor allem, weil wir die unteren Äste schon gegessen haben und die sogenannten Bäumchen jetzt aussehen wie Zahnstocher.

Tolerant, wie wir sind, gehen wir aber trotzdem jeden Tag raus und erkunden alternative Nahrungsquellen (Spaziergänger anbetteln, Nachbarwiese untersuchen). Und die restliche Zeit ist uns warm.

Da kommt uns die Frau, unsere gemeinsame Besitzerin, ausnahmsweise ganz gelegen, denn sie hat die Macht. Auch das ausnahmsweise. Und glaubt mir, es fällt mir nicht leicht, das zuzugeben, aber sie ist tatsächlich diejenige, die den Schlauch anstellen und damit erfrischend nasses Wasser auf meinem muskulösen Körper versprühen kann. Kühl ist es nicht, lauwarm auch nicht mehr, aber immerhin ist es nass. Und danach gehe ich mich wälzen und die Welt ist vorübergehend ein besserer Ort. Und danach dasselbe nochmal und dann hätte ich gern einen erfrischenden Snack.

Nun wäre aber die Frau nicht die Frau, wenn sie sich damit zufrieden gäbe. Nein, denn schließlich hat sie Pferde, um darauf zu reiten, und zwar am liebsten Piaffe. Oder wenigstens Trab, um mal eine realistischere Messlatte anzulegen.

Also wandern wir frohgemut zum Reitplatz. Also sie. Nicht ich. Ich bin das schwitzende Etwas im Pelzmantel, das den Sattel und gleich auch noch die Frau schleppen darf. Mein abgrundtiefer Seufzer wird ruppig mit „Stell dich nicht so an, mir ist in den Stiefeln auch warm!“ erwidert.

Frau Reitlehrerin ist noch mit unseren Vorgängern beschäftigt und gibt eine Bodenarbeitsstunde, wie ich interessiert feststelle. Die Frau staunt. Wozu Bodenarbeit, wenn man doch reiten kann?

*

„Weils warm ist, darum“, teilt Frau Reitlehrerin auf entsprechende Nachfrage mit. „Und wegen der Abwechslung.“

„Aha“, nickt die Frau verständnislos. „Ich mag Bodenarbeit nicht, weil ich da so viel laufen muss. Ich reite lieber!“ Sie kichert.

Merkste schon, dass deine Logik einen Knick hat, oder?, denke ich und sehe Frau Reitlehrerin an, damit sie kurz für mich übersetzt.

Sie macht das wesentlich diplomatischer als ich und formuliert noch dazu so simpel, dass ihr auch das Spatzenhirn der sogenannten Besitzerin folgen kann.

„Dem Pfridolin ist auch warm“, beginnt sie.

„Der hat ja auch ein Fell“, bemerkt die Frau.

„Ja eben. Und wenn er dich jetzt noch im Trab und im Galopp trägt, dann ist das anstrengend.“

„Der ist ein Sportpferd, der darf ruhig Sport treiben“, erklärt meine empathielose Eigentümerin. (Hallo? Ich bin Freizeitpferd, ich DARF mich gar nicht anstrengen!)

„Ganz wichtig bei Sport- und auch Freizeitpferden ist ein abwechslungsreiches Training. Denn wir möchten ja, dass das Pferd motiviert mitmacht.“

„Natürlich. Motivation ist das Allerwichtigste überhaupt!“, erinnert sich die Frau mit einem Mal. „Aber wie kriegt man das hin? Ich meine, was gibt’s denn noch außer Reiten?“

„Ganz, ganz viel“, lächelt Frau Reitlehrerin.

„Longieren“, rät die Frau. „Und Laufenlassen!“

„Wenn es nicht so heiß ist wie jetzt, ist zum Beispiel Freispringen eine super Abwechslung. Oder Stangenarbeit an der Longe. Oder Freiarbeit – also Kommunikation über deine Körpersprache. Bei großer Hitze bietet sich anderes an – zum Beispiel Zirzensik. Clickertraining. Oder Spazierengehen.“

Die Frau kann sich noch lebhaft an die Wanderungen mit dem sehnenkranken Spanier erinnern und winkt ab.

Frau Reitlehrerin macht weiter: „Oder eben Bodenarbeit. Das ist letztlich Beziehungsarbeit und hilft dir, ein noch besserer Pferdemensch zu werden. Man muss nicht immer reiten.“

Ein NOCH besserer Pferdemensch! Die Frau wächst direkt um zwei Zentimeter. Endlich sagt es mal jemand, dass sie ein guter Pferdemensch ist. Hach! Und wenn sie es sich recht überlegt, ist es doch ziemlich warm. Ein Schweißbächlein rinnt über ihren Rücken. Sie räuspert sich. „Wenn das so ist, würde ich heute gern Bodenarbeit machen. Der Pfridolin soll ja vielseitig trainiert werden und Spaß an der Arbeit haben.“

Frau Reitlehrerin und ich zwinkern uns zu. Ziel erreicht 😉

Bildunterschrift: Aus dem Schlauch trinken ist irgendwie auch Bodenarbeit.

Zum Weiterlesen: Bei My natural Dressage gibts Tipps für die ersten Anfänge bei der Bodenarbeit.
Pferdekult ist sehr für Spaziergänge mit dem Pferd und 360 Grad Pferd weiß, wie man durch Bodenarbeit die Muskulatur stärkt.

Zum Hören: „Reiten lernen ist mehr als nur auf dem Pferd sitzen“ von Erfolgreich mit Pferden.

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