Ausritt mit Tinker

Letztens war es wieder soweit – der Regen hatte eine längere Pause eingelegt und die Sonne schien so warm, dass der Frau doch glatt die Argumente ausgingen, weshalb sie angeblich gerade nicht ausreiten könnte. Sie ist ja weder nervenstark noch wetterfest, obwohl sie gern das Gegenteil behauptet. Typischerweise laufen diese Gespräche so ab:
Befreundete Reiterin: „Sollen wir ausreiten?“
„Würd ich total gern, aber dahinten sieht‘s nach Regen aus.“
„Das ist ein klitzekleines weißes Wölkchen am ansonsten knallblauen Himmel.“
„Ja eben.“ Angestrengte Suche nach einem weiteren Hinderungsgrund. „Außerdem müssen wir üben, wir haben in einer Woche wieder Reitunterricht.“
„Oh, aha. Wie oft hast du denn Unterricht?“
„Einmal pro Woche.“
„Dann hattest du also … gestern Unterricht?“
„Jaja, wir müssen viel üben. Zirkel reiten und so. Und vorwärts gehen. Der Pfridolin ist so faul.“
„Oh, aha. Wird das denn besser, wenn man nur Zirkel reitet?“
„Komischerweise nicht.“
„Vielleicht dann doch mal ein kleines Ründchen durchs Gelände…? Wegen der Abwechslung und so?“
„Ich weiß nicht, da sind doch bestimmt ganz viele Trecker unterwegs.“
„Die Ernte ist vorbei und die Felder sind gepflügt.“
„Die Bauern fahren doch auch schon zum Mal zum Spaß Trecker.“
„Ach so?“
„Ja echt. Die tun das nur, um mich zu ärgern.“
„Schon klar. Wusste gar nicht, dass du Angst vor Treckern hast?“
„Ich doch nicht!!! Der Pfridolin ist immer so unsicher im Gelände.“
„Vielleicht fehlt ihm die Erfahrung?“
„Dem fehlt gar nix, der geht ja immer mit dem Mann raus.“
„Hat er da auch Angst vor Treckern?“
„Was ist denn das für eine blöde Frage? Und überhaupt muss ich jetzt ganz dringend mein Sattelzeug putzen.“
„Kein Problem, wir können auch danach noch ausreiten. Nimmst du halt den Lutschi, der ist ne coole Socke.“
„ICH hab überhaupt keine Angst, dass das mal klar ist.“
Später dann: „Na, ist der Sattel sauber? Können wir?“
„Schon, aber du, das mit dem Ausreiten verschieben wir lieber. Es wird ja bald dunkel, in fünf Stunden schon, dann ist das zu gefährlich.“

So ist es sonst. Dieses Mal war es anders und die Frau konnte sich nicht rausreden, weil der Mann und ich mitwollten und außerdem Frau Reitlehrerin auf Faxe, meinem größtenteils schwarzen Tinkerfreund. Es war ausreichend früh am Tag, der Sattel war geputzt, Faxe, Lutschi und ich waren geschniegelt und gestriegelt, alle Haare waren ordentlich (bis auf meinen Fünf-Stufenschnitt, aber daran ist die Frau schuld und nicht ich) und weit und breit kein Wölkchen am Horizont.

Frau Reitlehrerin fragt, ob es losgehen könnte. Ja, Moment, nur noch schnell nachgurten. Und die Bügellänge kontrollieren. Die Bügel sind nämlich zu lang. Ach nee, zu kurz. Ach nee, ungleich. Der Lutschi steht kurz vor dem Einschlafen, Faxe und ich schnarchen schon.

Irgendwann ist es dann tatsächlich soweit und wir können unter den bewundernden Blicken der anderen Pferdebesitzer den Hof verlassen. Manche fragen die Frau, ob sie sich denn bewusst wäre, auf was für eine waghalsige Expedition sie sich da eingelassen hätte. Die wird kurzfristig grün um die Nase, behauptet dann aber, sie als alter Wanderreitprofi hätte alles unter Kontrolle. Außerdem wären Frau Reitlehrerin und Faxe als vierbeinige Aufsichtsperson dabei. Wenn ich sowas schon höre – als ob ich bisher nicht immer ordentlich auf sie aufgepast hätte!

Frau Reitlehrerin drängt zum Aufbruch, weil die vierbeinige Aufsichtsperson schon in der ersten Tiefschlafphase ist und aufwendig geweckt werden muss. Der Lutschi und ich nutzen das für einen kleinen Imbiss.

Todesmutig reitet die Frau an. Für den Fall der Fälle hat sie dem Lutschi noch eine Fliegendecke übergezogen und sich selbst einen riesigen Regenmantel. Die kanadische Wildnis Sonntagsschrittrunde kann kommen.

Wir bringen die erste Wegstrecke hinter uns und begegnen weder Mensch noch Tier. Die Frau entspannt sich ein wenig und erzählt Wanderreitgeschichten, die sie sich im Zweifel eben erst ausgedacht hat.

Als die ersten Nordic Walker auftauchen, kriegt sie hektische Flecken. Nordic Walker sind gefährlich und stecken voller Überraschungen. Und diese Stöcke! Bestimmt passiert gleich was. Der Lutschi merkt, dass irgendwas nicht stimmt und verrenkt den Hals, um herauszufinden, wo denn die aufregenden Dinge sind, wegen denen die Frau Schnappatmung kriegt. Frau Reitlehrerin reitet unbeeindruckt vorneweg und ignoriert die Gefahr, während das spanische Mähnenwunder nichts Spannenderes als Faxes Hinterteil entdecken kann und einmal herzhaft zuzwickt. Die Nordic Walker klackern freundlich lächelnd an uns vorbei. Die Frau reißt sich zusammen und grüßt huldvoll wie die Queen persönlich. Der Mann und ich zockeln hinterher. Das ist ganz praktisch, weil der Mann mich heimlich fressen lässt und die Frau das nicht merken soll. Die wird dann nämlich immer so humorlos und spricht vom Verfall der Sitten.

Im weiteren Verlauf begegnen uns Fahrräder, Autos und eine Kettensäge, bei der die Frau mit einem Mal wieder sehr kleinlaut wird. Der Mann räkelt sich wohlig und schreit die Frau an, wie herrlich entspannend so ein Ausritt doch wäre. Die Frau lächelt gezwungen und murmelt irgendwas, was ich nicht verstehen kann. Sie guckt ganz komisch.


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Vielleicht ist ihr aber auch nur warm unter dem Regenmantel? Der Lutschi versucht währenddessen, die Büsche rechts und links aufzufressen und kommt deshalb nicht so schnell an der Kettensäge vorbei.

Als es wieder leiser ist, dreht sich Frau Reitlehrerin im Sattel um und beglückwünscht die Frau und sich selbst zu den coolen Pferden. Pferde wären nämlich immer nur so cool wie man selbst. Jaja, das findet die Frau auch. Sie lächelt majestätisch und behauptet, sie wäre die Ruhe selbst, das würde natürlich auf den Lutschi abfärben. Unter uns: Der Lutschi ist so ‘ne faule Socke, der würde sich noch nicht mal aufregen, wenn er dafür Futter bekäme 😉

Alles in allem war es also doch ein schöner Ritt. Das findet sogar die Frau. Das einzige, was ihr nicht gefallen hat, war die Wandergruppe, die schon von weitem „das schöne Pferd“ bewunderte. Die Frau hatte schon wieder ihr huldvolles Lächeln aufgesetzt, als sie bemerkte, dass die Wanderer nicht den Lutschi meinten und auch nicht mich, sondern Faxe und seine wallende Haarpracht. Das wird ihr hoffentlich eine Lehre sein, sagte auch der Mann, als ihm die Wanderer ihre Smartphones in die Hand drückten, damit er sie und Faxe fotografiert. „So viele Haare! So wunderschön!“

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