„Come on, boy“, nuschelt die Frau, meine sogenannte Besitzerin. Mit dem boy bin wohl ich gemeint, denn außer uns ist hier keiner. Nur ich und die Frau, die offensichtlich extrem-shoppen war und jetzt mit Cowgirl-Outfit unterwegs ist. Die neuen Kataloge und neues Leben und überhaupt, ihr wisst ja, wie das immer so ist. Das Knotenhalfter und das Führseil hätten mich schon stutzig machen sollen, aber da hab ich mich noch über ihren Gang amüsiert. Anscheinend sind ihre Füße nicht mit Cowboystiefeln kompatibel 😀
Jetzt steht sie vor mir und hat Zuckungen und leider auch das Führseil in der Hand. Bei der ganzen Wedelei schlägt das formschöne, aber doch unbequeme Knotenhalfter Wellen in meinem Gesicht. Keine Ahnung, was das nun wieder soll. Ob sie an den Stromzaun gekommen ist? Das würde natürlich einiges erklären.
Zum Glück kommt gerade Frau Reitlehrerin vorbeigeschlendert. „Machen wir diese Woche noch Dressur-Unterricht?“, erkundigt sie sich diplomatisch.
„Ich mach jetzt Cowboy Dressage und Horsemanship“, teilt die Frau ganz wichtig mit. „Dressage natürlich wegen der Piaffe.“
„Natürlich“, nickt Frau Reitlehrerin und bemüht sich, ernst zu bleiben.
* Neue Abgründe aus dem Reiterleben. Und Lösungen für Probleme, von denen man noch gar nicht wusste, dass man sie hat 😉
Der Piaffe-Fimmel der sogenannten Besitzerin wird langsam pathologisch, denke ich mir, lausche aber weiterhin ihren Worten. In der Hoffnung, darin Aufklärung für die aktuellen Ereignisse zu finden.
„Und Horsemanship, weil das toootaaaaaal toll ist“, spricht die Frau weiter. „Du kennst doch den Hansi“, fragt sie.
Horsemanship-Hansi, wer kennt ihn nicht. Da ist sogar in deiner Birne mehr Leben als in der vom Hansi, weil der gehirntot gehorsemanshipped wurde, würde ich gern antworten, aber ich bin ja hier nur das Pferd und man sagt mir nach, ich würde lästern.
„Und der Hansi ist toooooootaaaaaaal brav und cool“, schwärmt die Frau. „Die Sandy war neulich mit ihm Inliner fahren, auf dem Radweg, und da hat ihm ein Auto fast den Hintern abgefahren. Das hat den Hansi gar nicht gestört. Und der bleibt unangebunden stehen und man kann ihm den Wasserschlauch ins Gesicht halten und es macht ihm gar nichts aus und das will ich auch.“
Ich habe genug gehört und plane meine Flucht. Wer aber bleiben muss, ist die Frau, denn die wird jetzt von Frau Reitlehrerin ins Gebet genommen, freundlich zwar, aber doch humorloser als sonst: „Beim Horsemanship geht es ganz oft um erlernte Hilflosigkeit. Die Pferde lernen, dass es keinen Sinn hat, sich zu wehren, und geben sich auf.“
„Gar nicht wahr, die Sandy spielt immer mit dem Hansi“, kräht die Frau vorwitzig.
„Ah, die berühmten sieben Spiele“, antwortet Frau Reitlehrerin.
„Gar nicht berühmt, ich kenn die jedenfalls nicht“, erwidert die Frau.
„Das sind verschiedene Übungen, bei denen Rangordnungssituationen durchexerziert werden, teilweise bis zum Exzess. Und dann bekommt man so Pferde wie den Hansi, denen alles egal ist.“
Aber mit denen man auch alles machen kann, überlegt die Frau begehrlich. Die hatte sich das anscheinend so vorgestellt, dass sie bissi Horsemanship machen und mich auf wundersame Weise in ein flauschiges Wiesenmoped verwandeln kann. „Wie ein Fahrrad“, beschreibt sie den Hansi. „Ganz brav und gehorsam!“
„Schon praktisch, so ein Fahrrad. Das diskutiert auch nicht mit einem“, konstatiert Frau Reitlehrerin.
„Genau“, nickt die Frau.
„Wenn dir das so wichtig ist, dann solltest du vielleicht lieber Fahrrad fahren und aufs Reiten verzichten“, schlägt Frau Reitlehrerin vor. „Man muss nicht alles machen, was man kann. Auch ein Tier hat Würde und die darf man ihm nicht nehmen. Respekt ist nämlich keine Einbahnstraße. Und im Idealfall hat das Pferd genauso viel Spaß am gemeinsamen Tun wie die Reiterin.“
Und ich weiß ja nicht, aber möglicherweise hab ich jetzt erstmal frei, weil die Frau ein Fahrrad kaufen will. Gute Idee, ich feiere das 😛
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