Mach du mal, dann muss ich nicht!

„Ts ts ts, das ist aber gar nicht gut!“ Missbilligend guckt die sogenannte Besitzerin auf die überquellende Mülltonne, die in der Sattelkammer ein trauriges, wenn auch kein einsames Dasein fristet.

„Immerhin wird sie benutzt, das ist doch schon mal schön“, findet der Mann.

„Ja, aber soooo viel Müll.“ Die Frau runzelt die Stirn. „Das muss doch nicht sein.“ Sprichts und wirft im selben Atemzug ein Halfter weg. „Das ist ganz schmutzig, da muss ich dringend ein neues kaufen. Wir haben gar kein pinkes Reservehalfter, das muss ich dringend ändern!“

Da irrt sie sich. Wir haben Halfter in allen Rosaschattierungen dieses Planeten, mit Plüsch und wahlweise auch mit Glitzer. Und bald haben wir also eins mehr.

Während die Frau Sattel und Trense zusammenklaubt, erklärt sie dem Mann, wie sie sich das mit dem Umweltschutz und der Nachhaltigkeit im Stall so vorstellt. Zuerst war sie ja der Ansicht, dass Reiten ein umweltfreundlicher Sport ist. Unsereiner verbraucht kein Benzin und keinen Strom und produziert auch nur Bio-Abgase. Aber nein, überall, wo die Frau ihre Finger im Spiel hat, wird konsumiert und Auto gefahren. Zum Beispiel. Und die ganzen Halfter werden ja auch irgendwo produziert und aus irgendwelchen Bestandteilen hergestellt, die vielleicht auch nicht so ganz umweltfreundlich sind.

„Das ist aber gar nicht gut“, findet auch der Mann, der freundlicherweise nicht nachfragt, warum dann ein weiteres Halfter gekauft werden muss.

„Ja, schlimm ist das. Aber man kann was dagegen tun“, erklärt die Frau kämpferisch und zückt eine Reitzeitschrift. „Guck mal hier, Riders for Future. Die sind auch auf Facebook und Insta und so. Und geben ganz tolle Tipps für mehr Nachhaltigkeit im Stall. Zum Beispiel soll man seine Sachen instandhalten und pflegen.“

Riders for Future. Coole Sache, das.

„Zum Beispiel auch Halfter?“

„Das war kaputt, das musste ich wegwerfen“, winkt sie lässig ab. „Und außerdem war es nicht pink.“

„Ich hätte es bestimmt reparieren können“, wirft sich der Mann in die Brust. „Umweltheld sein ist ganz einfach!“

„Ja, aber dadurch wird es ja nicht pink“, erklärt sie in ihrem So-spreche-ich-mit-den-Doofen-Tonfall. „Was auch gut ist: Sachen selbermachen statt sie zu kaufen. Fliegenspray zum Beispiel. Oder Leckerli.“

Ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber immer, wenn ich das Wort Leckerli höre, klappen meine Ohren nach vorne. So auch jetzt
.
Die Frau ignoriert mich und doziert weiter: „Da hat man zumindest im Sommer ordentlich Müll gespart.“

„Ja, aber das erfordert ein Mindestmaß an Planung. Wenn es schnell gehen soll, kauft man doch was Fertiges“, wirft der Mann ein.

Das ist Emily Thümmel. Sie hat Riders for Future gegründet.
Das ist Emily Thümmel. Sie hat Riders for Future gegründet.

Die Frau zieht die Augenbrauen hoch: „Du vielleicht.“ Mittlerweile sind auch die anderen Reiterinnen in die Sattelkammer gekommen, weil die Frau so laut spricht, dass sie sich Sorgen um den Mann machen. Die ist begeistert über so viel Publikum und fährt fort: „Was wir auch auf jeden Fall machen werden: Mehr Fahrrad fahren und so.“

„Auch wenn es regnet?“

„Dann vielleicht nicht. Aber sonst immer.“

„Oder wenn wir schwere Gegenstände transportieren müssen“, schlägt der Mann vor.

„Das ist dann DEIN Job. Wenns nicht auf den Gepäckträger passt, kannst du ja einen Anhänger nehmen.“ Die Frau strahlt und sonnt sich in dem Bewusstsein, auch ein Rider for Future zu sein, wenn nicht gar die deutsche Greta Thunberg. Dann fällt ihr noch was ein: „Was auch gut ist: Statt im Internet in richtigen echten Geschäften einkaufen. Das spart Sprit und Strom und alles Mögliche. Und man muss weniger umtauschen, weil man sich die Sachen ja vorher angucken konnte.“

„Ja, aber das ist lästig, weil man es dann mit anderen Menschen zu tun hat. Und außerdem warst du es doch immer, die gesagt hat, dass sie Umkleidekabinen hasst“, erinnert sich der Mann.

„Ich kann mich ja nicht um alles kümmern. Es reicht doch wohl, wenn ich dir sage, was du tun musst. Und wenn unser Planet schließlich doch abfackelt, weiß ich genau, wer daran schuld ist.“

Und damit steht fest, dass der Mann schuld am Ozonloch ist, daran, dass die Frau keinen Sellerie mag und natürlich auch daran, dass ich mir ein Eisen gezogen habe. Und an der Schwerkraft ist er wahrscheinlich auch schuld.

Wenn ihr bei Riders for Future dabei sein wollt: Die sind auf Facebook und Insta und ihr könnt sie einfach anschreiben. Macht mit, es wäre toll für uns alle ❤


Bild: Emily Thümmel, die Gründerin von Riders for Future

Fotos: privat

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