Ohne Moos nix los

Neulich auf dem Reitplatz: „Hallo, ich bin die Elaine und das ist Black Romantica“, piepst es neben uns. „Der ist aber süüüüüß! Ist das ein Friese?“. Die Sprecherin deutet auf mich. Frechheit. Ich bin ein stolzer Hannoveraner und du brauchst eine Brille.

Neben der Elaine steht eine Art Tinker. Mit einem Karpfenrücken, der seinesgleichen sucht. Mit den sonstigen Gebäudefehlern kann man Krüppelquartett spielen. Aber die Elaine ist noch nicht fertig. Treuherzig verkündet sie: „Die hab ich vor dem Schlachter gerettet! Meine Mutter war dagegen, weil ich noch zur Schule gehe, aber ich hab sie einfach gekauft!“ Als sich daraufhin kein Beifallssturm regt, sucht sie verzagt das Weite und ihren Putzkasten. Black Romantica lässt sie der Einfachheit halber direkt da, am Anbinder.

Irgendwann kommt die Elaine wieder. Mit einem Werkzeugkoffer aus dem Baumarkt. „Der war günstig“, reagiert sie auf die abfälligen Blicke der Frau und ihrer garstigen Freundinnen, die sich eingefunden haben, um die beiden Neuankömmlinge zu begutachten und hinterher darüber zu lästern und sich anschließend darüber auszutauschen.

Die Elaine putzt eifrig an ihrem Tinker herum. „Die Black Romantica ist ja ein Barockpinto“, erzählt sie ungefragt.

„Woran erkennt man das?“, fragt die Frau.

„Das hat mir der Verkäufer gesagt.“

Ja dann.

„Sattel und Trense gab es kostenlos dazu, die konnte ich mir sogar aussuchen.“

„Aha“, sagt die Frau vorsichtig.

* Ich kann übrigens auch Bücher!

„Ich will ja Dressur reiten, da hab ich natürlich einen Dressursattel genommen“, plaudert die Elaine weiter, während sie ihrer Stute ein Sättelchen aufs breite Kreuz plaziert. Wohl, weil Tinker und ihre Anverwandten für ihre Dressureignung bekannt sind. Und bei dem Karpfenrücken ist es fast egal, da passt eh nix drauf. Geschweige denn ein Reiter.

„Ähm, ich glaube, der Sattel passt nicht so wirklich“, rutscht es der Frau heraus, die sich vorgenommen hatte, nichts zu sagen, aber jetzt doch nicht mehr an sich halten kann.

„Findest du? Der Verkäufer sagt, der passt.“ Und damit wäre das geklärt. Jetzt noch die verwurstelte, zu große Trense irgendwie an den Kopf geknotet, das ausgeschlagene Gebiss zwischen die Zähne gezwungen und los geht’s.

Die Frau möchte das gar nicht sehen und mistet lieber aus.

Später begegnet ihr Black Romantica erneut. „Die ist ja gaaaaaaaar nicht ausgebildet“, erzählt die Elaine und guckt ihr Pferd liebevoll an.

„Habt ihr denn jemand für Unterricht?“, erkundigt sich die Frau ungewohnt vernünftig.

„Nein, dafür hab ich kein Geld. Wir lernen das zusammen, die Black Romantica und ich“, ist die entwaffnende Antwort.

Apropos Geld: Wie sich herausstellt, ist die Elaine leidenschaftliche Busfahrerin. Was möglicherweise daran liegt, dass sie weder Auto noch Führerschein hat. Was die Frau zu der Frage veranlasst: „Was machst du denn, wenn Black Romantica mal in die Klinik muss?“

„Die ist ganz gesund, warum soll die denn in die Klinik?“

„Kolik? Unfall? Unklare Lahmheit, die sich am Stall nicht aufklären lässt?“, schlägt die Frau vor, die um Katastrophenszenarien nie verlegen ist.

* Und lustige Pferdekrimis auch!

„Dann bitte ich halt jemanden, uns zu fahren“, antwortet die Elaine.

„Auch nachts um drei?“

„Na klar. Und außerdem ist Tierarzt ja nicht teuer.“

Hast du aber eine Ahnung. Die Frau verkneift sich ein Lachen.

Nun gibt es ja verschiedene Modelle der Refinanzierung. Zum Beispiel das Modell „diebische Elster“, wo nach und nach alles verschwindet, was nicht festgenagelt ist. Beliebt ist auch das Modell „Im Notfall sponsored by Mutti“, was nicht das Schlechteste ist. Da kommt das Pferd in besagtem Notfall wenigstens zum Tierarzt und wird behandelt. Was auch immer geht: Facebookgruppen für verarmte Pferderetter, nach dem Motto Elendsfoto gegen Kohle. Und wenn man sich das Auto der Frau so anguckt, finanziert die sich über das Modell „Gerümpel- und Pfandflaschensammlung in einem fahrbaren Schrotthaufen“.

Die Frau und ihre garstigen Freundinnen lassen nach einem aufgeregten Gespräch ihrer Paranoia freien Lauf und beschließen, sicherheitshalber ihre Sättel mit nach Hause zu nehmen. Wobei da ja eigentlich überhaupt kein Platz ist, weil alles voll mit überzähligen Pferdesachen ist. Hier kommt jetzt der Mann ins Spiel, der vorschlägt: „Die könnte man ja der Elaine geben, oder? Wenn sie dem Pferd passen.“

Worauf die Frau entrüstet antwortet: „Also zum Verschenken sind die Sachen viiiiieeeel zu schade.“

„Aber zum Verkaufen zu alt“, wagt es der Mann zu widersprechen „und du brauchst sie nicht mehr. Die liegen seit Jahren hier rum.“

„Aber wenn im Stall was kaputt geht, hab ich hier eine Reserve.“

„Oder zwei oder drei. Und im Zweifel kaufst du lieber was Neues“, gibt der Mann zu bedenken.

„Hmpf“, macht die Frau. Also mir ist das egal, ich kann gut auf die Pink Glitzi Collection verzichten. Aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab eh keine Ahnung. Trotzdem könnte jemand der Elaine mal Bescheid sagen, dass beim Pferdekauf die Anschaffungskosten in der Regel die geringste Investition sind. Die Frau denkt währenddessen über das Modell „Sponsored by Mutti“ nach und möchte adoptiert werden.

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