Alte Meister oder alte Schwurbler?

„Also so, wie die das reitet, ist es aber nicht klassisch!“ Mit zusammengekniffenen Augen beobachtet die Frau, wie mein Kumpel Heinzi von einer Bereiterin nach allen Regeln der Kunst malträtiert wird. Vorn wird festgehalten, hinten mit den Sporen gebohrt.

Der Mann guckt fragend und sie erklärt: „Hand ohne Bein, Bein ohne Hand heißt es ja so schön. Das macht die ja gar nicht.“

„Das ist ein Zitat von Baucher, das ist ja wohl kaum ein Klassiker. Die Aussage an sich macht Sinn, aber ich würde Baucher nicht als alten Meister bezeichnen“, mischt sich Frau Reitlehrerin ein, die zufällig vorbeikommt.

„Wieso nicht? Der ist schon lange tot und hat eine Reitlehre geschrieben. Das ist ja wohl genau das, was einen alten Meister ausmacht“, empört sich die sogenannte Besitzerin.

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„Baucher hat das „ramener outré“ empfohlen. Was wir heutzutage Rollkur nennen.“

Die Frau schluckt.

„Nicht sehr pferdefreundlich, oder?“

Die Frau nickt.

„Außerdem hat er Trab und Galopp rückwärts gezeigt, wo ich mich doch frage, welchen gymnastizierenden Sinn das haben soll. Später hat er sich dann um 180 Grad gedreht, was zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung war. Aber auch vieles in seiner zweiten Lehre, der Deuxième Manière, ist zumindest diskussionswürdig.“

„Ja, aber das ist eine Ausnahme. Die anderen alten Meister sind auch alte Meister“, zeigt sich die Frau störrisch.

„Grisone mit seinen Grusel-Gebissen, der Herzog von Newcastle, der freundlicherweise die Rollkur und den Schlaufzügel erfunden hat, Fillis mit dem Dreibein-Galopp, Plinzner, der für Wilhelm II. die Rollkur neu aufgelegt hat …“, zählt Frau Reitlehrerin weiter auf.

„Das waren halt Menschen und keine Heiligen“, zeigt sich die Frau ungewohnt tolerant. „Man muss die Dinge auch mal im historischen Kontext sehen“.

„Aber ob man die dann unbedingt Alte Meister nennen sollte?“ Frau Reitlehrerin lächelt versonnen.

„Rollkur ist Rollkur“, findet der Mann. „Egal, ob da jetzt ein berühmter Mensch was drüber geschrieben hat oder nicht. Oder ob dieser Mensch tot oder lebendig ist.“

Und da möchte man ihm recht geben, alle Schlaufzügel und Sperrriemen dieser Welt zerschneiden und sich ansonsten einen schönen Tag machen. Aber ich bin ja hier nur das Pferd und hab keine Ahnung.


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