„Das ist Freiarbeit, sieht man doch!“

Der Lutschi, was unser spanisches Mähnenwunder ist, wälzt sich genüsslich im Hallensand, steht dann gemächlich auf und geht zur Frau, unserer sogenannten Besitzerin, wo er sich den Sand aus dem Fell schüttelt und dafür ein Leckerli kassiert. Danach stellt er sich in die Mitte und guckt schläfrig. Die sogenannte Besitzerin ist begeistert und faselt von „Seelenpferd“ und „mystischer Verbindung“. Die Kommunikation erfolgt anscheinend intuitiv und geht überwiegend vom Lutschi aus. Jetzt zwickt er sie in den Jackenärmel und guckt auffordernd. Reaktionsschnell dreht sich die Frau weg und hüpft zur Seite. Der Lutschi hüpft mit. „Wie tanzen“, murmelt die sogenannte Besitzerin ergriffen. „Und ganz freiwillig!“

Frau Reitlehrerin, die das Schauspiel gebannt verfolgt, erkundigt sich bei der Frau, was das Gesehene zu bedeuten hat. „Das ist Freiarbeit, sieht man doch!“, antwortet die sogenannte Besitzerin. „Und zwar die Sorte, die auf Freiwilligkeit basiert.“

„Der Lutschi macht freiwillig, was er will, und du fütterst ihn mit Leckerli?“, vergewissert sich Frau Reitlehrerin.

„Aber freiwillig!“, betont die Frau.

„Wäre es nicht schön, wenn der Lutschi dich nicht die ganze Zeit verfolgen und zwicken würde?“, erkundigt sich Frau Reitlehrerin.

„Naaaaaain, der hat mich total gern und zeigt mir seine Liebe. Siehst du, er folgt mir wie ein Schatten!“ Leises Knurpsen verrät, dass der Lutschi nun die Leckerli in der Jackentasche freilegt, indem er den störenden Stoff drumherum entfernt. „Der Lutschi soll seine ganze Schönheit zeigen, und zwar so, wie er das will“, erklärt die Frau in völliger Verkennung der Sachlage.

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„Ihr könntet ja auch anders kommunizieren“, schlägt Frau Reitlehrerin vor.

„Aber nix mit Zwang! Der Lutschi ist mein Seelenpferd und wir machen nur positive Verstärkung“, ordnet die sogenannte Besitzerin an.

„Also zuerst sollte der Lutschi lernen, dass er dich nicht fressen soll“, findet Frau Reitlehrerin.

„Aber wenn er mich doch so liebhat“, gibt sich die Frau gönnerhaft.

„Ihr hattet doch auch mal Clickertraining angefangen“, erinnert sich Frau Reitlehrerin.

„Ja, aber das war mir zu anstrengend“, gibt die Frau zu. „Immer dieses Aufpassen und sich Gedanken machen, was man wie vorbereitet.“

„Aber genau das zeichnet einen guten Pferdetrainer aus.“

Ein guter Pferdetrainer sein steht auf der Wunschliste der Frau ganz oben. Ihre Augen leuchten unternehmungslustig. „Was macht denn so ein guter Pferdetrainer genau, um gut zu sein?“, will sie wissen.

„Er überlegt sich vorher, was er erreichen will, und zerlegt das Ganze in viele kleine Teilschritte. So führt er das Pferd schrittweise an die neue Aufgabe heran“, erklärt Frau Reitlehrerin.

Ach so. Das hört sich ja erstmal nicht so schlimm an. Wie gern wäre die Frau einer von den Profis. Einer von den guten, versteht sich.
„Also wenn ich zum Beispiel möchte, dass der Lutschi zu mir kommt. Wie fange ich das am besten an?“, überlegt sie angestrengt.

„Eigentlich hast du ja eher das Problem, dass er dir nicht von der Seite weicht“, lacht Frau Reitlehrerin. Was möglicherweise weniger auf den persönlichen Magnetismus der Frau zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die Leckerli in der Jackentasche. Frau Reitlehrerin beschließt: „Wir hängen jetzt mal deine Jacke weg und überlegen uns, wie der Lutschi den Appell – so heißt das Kommen auf Zuruf – lernen kann. Und zusätzlich könnte er lernen, weder dich noch deine Jacke aufzuessen.“

So viele neue Ideen! Und jetzt auch noch Lösungen erarbeiten! Die Frau fühlt sich schon wie Frau Reitlehrerins Co-Trainer. Was ihr aus ihrer Sicht das Recht gibt, sich wichtig zu fühlen und andere aus der Halle zu jagen, damit sie darin Freiarbeit -oder was auch immer – praktizieren kann. Herrlich!

Ich hoffe, ich bin auch bald dran mit Wälzen und Kekse essen. Pardon, Freiarbeit. Stay tuned, ich werde berichten, wie es weitergeht.

Bild: Wir müssen über Leckerli sprechen, und zwar dringend.

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