Für euch gelesen: Die Geschichte der französischen Reitweise

Man tut ja eigentlich viel zu wenig für die Bildung. Und wo die sogenannte Besitzerin zwischendurch immer mal von Ledscherté faselt, bin ich lieber vorbereitet und ergründe beizeiten, wie in der französischen Reiterei das Eine mit dem Anderen zusammenhängt. Wusstet ihr zum Beispiel, dass die französische Reitweise Weltkulturerbe ist? Wer hätte das gedacht. Also flugs ins kluge Buch geschaut, um noch mehr Erhellendes zu erfahren. Dort sind übrigens auch viele sehr schöne, sehr künstlerische Zeichnungen. Also schon schick.

Aber hier erstmal die Eckdaten:
Die Geschichte der französischen Reitweise: L’EQUITATION FRANCAISE
Guillaume Henry (Autor), Marine Ossedik (Illustrationen)
Crystal Verlag
128 Seiten mit vielen Illustrationen / 39,90 EUR

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Es geht auch gleich los, und zwar – nach einem eher zähen Anfang – mit den Ursprüngen der Reitkunst, die sich zur Zeit der Renaissance, von Italien ausgehend, unter anderem nach Frankreich verbreitet. Dort lernen wir Salomon de la Broue kennen, der als Begründer der französischen Schule gilt. Im Gegensatz zur italienischen Schule, die mit viel Grausamkeit verbunden war, bemühte sich de la Broue um einen eigenen, harmonischeren Ausbildungsansatz. Dieses Streben nach Harmonie und Leichtigkeit zieht sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bis heute durch die französische Reiterei. Und wir ahnen: Das ist das, was die sogenannte Besitzerin Ledscherté nennt und was in Wirklichkeit Reiten in Légèreté ist, zu deutsch Leichtigkeit. Also die Abwesenheit von Zwang und brutaler Krafteinwirkung. Was halt auch einfach schön anzuschauen ist. Aber zurück zum Buch: Auf de la Broue folgten Pluvinel und de la Guérinière, deren Leben und Werk in der Blütezeit der Reitkunst geschildert werden. „Ach, damals!“, seufzt die sogenannte Besitzerin.

Wie überall auf der Welt kam das Militär dann irgendwann auf den Trichter, die Reiterei zu vereinfachen und umzugestalten. Adieu, hohe Versammlung! Bonjour, horizontales Gleichgewicht. Bislang war man überwiegend mit iberischen Pferden beritten gewesen, weil die einfach die besten Voraussetzungen für die anspruchsvollen Lektionen der Reitkunst mitbringen. Iberische Pferde! Hach! Da wird die sogenannte Besitzerin ganz unruhig. Wie der Lutschi eines ist – Doppelhach! Wo sie dann das spanische Mähnenwunder durch seine langen Stirnzotteln anblinzelt und sich fragt, was der ganze Aufriss soll.

Die sogenannte Besitzerin kann sich auch wieder beruhigen, denn in der französischen Reiterei erfolgt nun eine Umorientierung zum Selle français, den Angloarabern und dem englischen Vollblut. Dafür kommt der Cadre noir ins Spiel, die französische Entsprechung der Spanischen Hofreitschule. Er wurde 1815 als Ausbildungs- und Elitekorps der Kavallerieschule in Saumur gegründet und bewahrt die Tradition bis heute. Geprägt wurde der Cadre noir durch den Comte D‘Aure, François Baucher und schlussendlich General Alexis L’Hotte, der die unterschiedlichen Lehren der beiden vorgenannten in einer Synthese zusammengeführt hat. An seiner Lehre orientiert sich die französische Reiterei immer noch. Er war es auch, der den Grundsatz prägte „Calme, en avant, droit.“ (Ruhig, vorwärts, geradeaus).

Die Bestrebungen gingen ganz allgemein hin zum schwungvollen Vorwärts, zum Geländereiten und Cross Country. Das sind so Dinge, die mit Schwung und Geschwindigkeit zu tun haben und von denen die sogenannte Besitzerin gelegentlich halluziniert, wenn sie an den Beruhigungskräutern in der Futterkammer war. Und von diesem Baucher hat sie auch schon mal gehört. Sie erinnert sich dunkel an „Hand ohne Beine, Beine ohne Hand“, was sie eigentlich ganz einleuchtend fand. Aber über Baucher gibt es noch viel mehr zu erfahren. Aufgrund seiner Ausbildungsmethoden und der Hemmungslosigkeit, mit der er sich bei neuen Erkenntnissen selbst widersprach, ist er bis heute innerhalb und außerhalb Frankreichs umstritten. Wobei ich es eigentlich ganz charmant finde, wenn man dazu steht, dass man was dazugelernt hat. Kommt ja nicht so oft vor 😉
Was mir (und anderen) an Baucher nicht gefällt, ist seine erste Manier, in der viel von Sporenattacken die Rede ist und in der es um die vollständige Unterwerfung des Pferdes geht. Er hat sich aber zum Glück wieder beruhigt und die ein oder andere gute Idee gehabt. Dazu mehr am Ende des Buchs, wo es um den Weg zur heutigen Reiterei geht und wo wir unter anderem erfahren, dass das, was man heutzutage so reitet, in ganz vielen Punkten auf die unterschiedlichen französischen Reitmeister zurückgeht – sogar auf den oft verteufelten Baucher. Was genau, könnt ihr dann selbst nachlesen, ich kann ja hier nicht alles verraten.

Pro: Eine umfassende Darstellung der französischen Reitweise und ihrer historischen Entwicklung.

Contra: Die Illustrationen passen nicht immer zum Text. Zum Beispiel ist da lang und breit von vierzügeligem Reiten die Rede, aber auf den – zugegeben sehr schönen – Zeichnungen sieht man genau zwei Zügel. Wahrscheinlich fällt das unter „künstlerische Freiheit“, ich wollte es aber trotzdem erwähnen. Der Einstieg gestaltet sich relativ langatmig vom Mittelalter übers Eozän in Richtung Renaissance, aber irgendwann kommen wir dann doch zu den Reitmeistern und den Besonderheiten der französischen Reitweise.

Für wen ist das Buch geeignet? Für historisch Interessierte mit viel Zeit, denn einfach so liest sich das Buch nicht weg. Dafür kann man mit Muße schöne Zeichnungen genießen.

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