„Ich bin nicht dick, mein Pferd ist faul!“

Es ist wieder soweit: Die Tage sind kurz, die Abende lang und der Hunger groß. Aber nicht nur bei mir. Nein, auch bei der Frau, meiner sogenannten Besitzerin. Sie kommt ja figürlich ohnehin mehr auf den Tinker als aufs Vollblut, aber dieses Jahr übertrifft sie sich selbst. Mit anderen Worten: Es gibt ganz schön viel von ihr. Der Hosenbund kneift, der Elastikstoff der Reithose kommt an seine Grenzen, aber sie futtert weiter. Sie kann nämlich nichts dafür, dass die Hersteller die Sachen immer so komisch schneidern, sagt sie. Und die Stoffe taugen auch nichts. Von wegen Materialermüdung und so.

Und als hätte sich alles gegen sie verschworen, will es mit dem Reiten im Moment auch nicht so recht klappen.

„Und zwar, weil der Pfridolin so faul ist“, vertraut sie Frau Reitlehrerin vor der nächsten Reitstunde an. „So lustlos und träge. Meinst du, ich sollte mal den Tierarzt rufen?“

„Ein Blutbild schadet generell nicht“, antwortet die und sieht prüfend an ihrer kugelförmigen Gesprächspartnerin herunter.

„Schöne Jacke, nicht? Trägt aber ein bisschen auf“, antwortet die kauend – „Keks?“ – und bietet Frau Reitlehrerin welche aus ihrem Notvorrat in der Jackentasche an. „Und neue Reithose auch. Die alte ist nach der letzten Weihnachtsfeier explodiert kaputt gegangen. Von ganz allein. Da gabs aber auch leckere Sachen!“ Sie guckt wie das spanische Mähnenwunder nach einer Überdosis Leckerli.


*

Frau Reitlehrerin lächelt diplomatisch und sieht nachdenklich zu, wie sich die Frau in meinen Sattel wuchtet und ich ein wenig in die Knie gehe. Mühsam setze ich mich in Bewegung.

„Und jetzt geht das schon los“, schimpft meine Reiterin. „Guck mal, wie der Pfridolin die Hufe durch den Dreck zieht. Lustlos und faul. ICH zum Beispiel bin total motiviert. Und er? Pustekuchen!“

Sie schnauft dynamisch. Glücklicherweise legt sich das schnell – nach nur fünf Minuten röchelt sie schon asthmatisch und wir sind immer noch im Schritt. Als Frau Reitlehrerin dann beim Nachgurten helfen muss, weil sich der kleine Pummel nicht mehr so gut herunterbeugen kann, legt sich ihre Stirn in leichte Falten.

Nach den üblichen Stretchingübungen im Schritt geht es dann ans Antraben. Die Frau knufft mir schweratmend die Beinchen in die Seite und ich setze mich widerstrebend in Bewegung. Mein Rücken sackt weiter nach unten und hängt nun gefühlt in Kniehöhe, und die Hinterbeine haben nur entfernten Kontakt zum Rest des Körpers.

„Au au au“, beklagt sich die Frau, die mir leichttrabenderweise bei jedem zweiten Trabtritt ins Kreuz plumpst. „Früher ging das viel besser. Jetzt ist das voll unbequem.“

Frau Reitlehrerin lässt das unkommentiert. Als es dann ans Aussitzen geht und die Frau kurze, spitze Schreie ausstößt, guckt sie schon strenger.

„Siehst du, was ich meine?“, beschwert sich meine Reiterin. „Er könnte ja den Rücken aufwölben und mich bequem sitzen lassen. Aber nein, der feine Herr Pfridolin hat keinen Bock. Das ist doch reine Frackigkeit von ihm!“

Mal so ganz unter uns: Ich bin zwar ein großer, starker Fast-Hengst, aber kein Schwertransporter. Irgendwo ist auch bei meinem Rücken eine Grenze erreicht. Soll die Frau mal gucken, wie sie selbigen nach oben kriegt und dabei graziös dahinschwebt, wenn ihr ein Mehlsack im Kreuz hockt, dessen Poppes mittlerweile größer als der Sattel ist. Jedenfalls deute ich ihre Jammerlaute so. Und geschmeidig mit der Bewegung mitgehen hat sich auch erledigt: da ist der Speckranzen im Weg.

Frau Reitlehrerin hat ja bisher nur geguckt. Nun spricht sie die drei magischen Worte: „Du musst abnehmen!“

„Ich bin nicht dick, mein Pferd ist faul!“, verwahrt sich die Frau gegen diese bösartige Unterstellung.

„Du warst schon mal elfenhafter. So rein figürlich“, stellt Frau Reitlehrerin unwidersprochen fest. „Und da warst du wesentlich beweglicher und konntest dein Becken besser abkippen. Es gab auch mal eine Zeit, in der du mehr Platz im Sattel hattest und der Bewegung deines Pferdes wesentlich besser folgen konntest.“

„Da war auch was mit Bauchmuskeln und Körperspannung.“ Die Frau erinnert sich schwach. „Und mit einatmen durch die Nase, ausatmen durch den Mund.“ Beifall heischend sieht sie Frau Reitlehrerin an.

„Ganz genau“, lobt die diesen ersten Erkenntnisansatz und fährt fort: „Pferde sind Lauftiere, keine Lastenträger. Und so ein Pferderücken ist nun mal nicht zum Tragen konstruiert, darauf muss man bei der Ausbildung und beim Reiten achten.“

„Aber es schmeckt immer so gut“, sagt die Frau traurig.

„Dem Pfridolin auch, und der hat ein Heunetz“, sagt Frau Reitlehrerin streng.

Die Frau seufzt abgrundtief, und damit ist zumindest dieses Thema geklärt.

Was mich jetzt noch beschäftigt: Kriegt sie zuhause ein Heunetz oder einen Slow Feeder?

Bild: Noch ein Elfenpopöchen

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