Rahmenwas?

Die sogenannte Besitzerin und ich traben geschmeidig über den ersten Hufschlag, mit Tempo zurücknehmen an den kurzen Seiten und mit Tritte verlängern an den langen Seiten. Fast wie die Profis. Die Frau hat nämlich einen Reitkurs gemacht und der wirkt noch nach. Deshalb brauchen wir auch keinen Unterricht mehr, weil sie jetzt nämlich reiten kann. Also, denkt die sogenannte Besitzerin jedenfalls. Im Moment isses auch noch ganz fluffig, aber wir ahnen: bald lässt der Elan nach und die Erinnerung auch, ganz zu schweigen von der Motivation. Jetzt gerade schweben wir aber noch anmutig dahin, das wollte ich doch noch mal anmerken.

„Sehr schöne Rahmenerweiterung!“, ruft Frau Reitlehrerin, die zwar gerade ihren Dieter reitet, aber dennoch gewohnheitsmäßig alles sieht.

„Danke!“, antwortet die sogenannte Besitzerin, huldvoll lächelnd. Da fällt ihr noch was ein: „Was ist eigentlich dieser Rahmen? Und was dieses Rahmendingens, Erweitung oder wie das heißt?“

Gell, da wundert man sich? Erstmals haben wir den Fall, dass die Frau durch absolut korrekte Hilfengebung Tritte verlängern und verkürzen kann, aber nicht weiß, was sie da jetzt Tolles reitet. Seit sie von ihrem Piaffe-Fimmel genesen ist, sind die verbliebenen Gehirnzellen anscheinend implodiert. Aber was zum Teufel ist denn eigentlich dieser Rahmen, von dem alle sprechen? Fragen über Fragen.

Frau Reitlehrerin pariert ihren Dieter durch. Prima Idee. Ich stelle mich zutraulich daneben und sie erklärt: „Der Rahmen bezieht sich auf das Bild, dass das Pferd mit seiner Körperhaltung im seitlichen Profil abgibt. Da kann man gedanklich einen rechteckigen Kasten drum herum malen. Dieser Kasten beziehungsweise Rahmen kann kurz sein, fast in Richtung Quadrat, weil das Pferd stark versammelt ist oder eben erweitert, wie du das gerade beim Tritte verlängern gezeigt hast. Wie ein langes Rechteck. Diese Veränderung ist in erster Linie im Hals des Pferdes zu sehen. Und ganz wichtig: Die Nasenlinie muss vor der Senkrechten sein.“

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Aha. Die sogenannte Besitzerin nickt nachdenklich. So ein kleines Wort und so viel Inhalt. Krass.

Komisch, oder? Irgendwas ist mit der Frau passiert. In einem anderen Universum hätte sie schon mindestens drei Diskussionen vom Zaun gebrochen. Aber so ist auch ganz schön. Dieter und ich machen Pause und hören weiter Frau Reitlehrerin zu. Die ist nämlich noch nicht fertig: „Das Pferd tritt dahin, wo seine Nase hinzeigt. Wenn der Schub schön durch den ganzen Körper fließt, die Hand vorgeht und sich der Ganaschenwinkel öffnet, dann ist der Nasenrücken vor der Senkrechten und das Pferd kann taktrein traben und weit nach vorn fußen, so wie der Pfridolin gerade eben.“

„Ganaschenwinkel?“

„Die Ganasche ist der Bereich am hinteren, oberen Unterkieferrand, am Übergang vom Pferdekopf zum Pferdehals. Wenn das Pferd die Nase nach vorn streckt, öffnet sich der Ganaschenwinkel.“

„Oh. Ah. Verrückt, diese Ausdrücke.“

Frau Reitlehrerin lächelt ein pädagogisches Lächeln und spricht weiter: „Ist der Nasenrücken hinter der Senkrechten – also im Profil gesehen – , dann beschreibt das Vorderbein in der Luft einen Bogen und wird wieder zurückgeführt, und zwar dahin, wo die Pferdenase hinzeigt. Das nennt man strampeln. Wie Pferde ihre Vorderbeine bewegen, hat mit dem Hals zu tun und dort mit dem Armkopfmuskel. Wie der Name schon sagt, verbindet er den Kopf mit dem Vorderbein. Wenn Pferde im Hals zu eng gemacht werden, können sie die Vorderbeine nicht mehr gut aus dem Armkopfmuskel heraus bewegen, sondern schmeißen das Vorderbein aus dem Ellenbogen heraus nach vorn, führen es dann wieder zurück und fußen dann erst auf. Das Pferd strampelt in der Luft und hat keinen Raumgriff. Mit anderen Worten: Das Pferd fußt dort auf, wo die Nase hinzeigt.“

„Ja, die ist in dem Fall nämlich hinter der Senkrechten“, kräht die sogenannte Besitzerin, die offensichtlich gerade vom Blitz der Erkenntnis getroffen wird.

„Ganz genau“, lobt Frau Reitlehrerin. „Schon deshalb macht es Sinn, die Rahmenerweiterung zuzulassen und die Pferdenase vor die Senkrechte zu reiten.“

„Ja klar, das ist ja sonst Energieverschwendung. Wie blöd“, urteilt die Frau, die sich erstmals mit Anatomie und Bewegungslehre auseinandersetzt. Tut aber gar nicht weh, denn sie hört unaufgefordert weiter zu.

„Oft traben so gerittene Pferde auch nicht mehr taktrein,“ erklärt Frau Reitlehrerin gerade.

„Woran erkennt man das?“

„Daran, dass sich die Beine nicht synchron bewegen. Der Trab ist bekanntlich ein diagonaler Zweitakt, bei dem zum Beispiel das rechte Vorderbein und das linke Hinterbein gleichzeitig nach vorn geführt werden. Diese Bewegung muss synchron erfolgen. Das heißt, in der Seitenansicht müssen sich das rechte Vorderbein und das linke Hinterbein parallel bewegen. Das sieht aber eher unspektakulär aus. Oft will man im Sport Lampenaustreter sehen, wo die Pferde mit den Vorderbeinen strampeln und die Hinterhand nicht mitkommt. Die sich also unphysiologisch bewegen.“

„Oh. Ah.“ Die sogenannte Besitzerin macht ein erkenntnisreiches Gesicht. Die Trabverstärkungen, die sie aus dem Internet kennt, sind demnach gar nicht toll, weil die Pferde strampeln. Vorn exaltierte Bewegung und wildes Strampeln, und die Hinterhand hängt eigentlich nur so dran und ist nicht der Motor des Ganzen. Verrückt.

„Dann mache ich vielleicht lieber so weiter wie bisher“, überlegt sie laut.

„Ja bitte“, antwortet Frau Reitlehrerin.

Dieter und ich gucken uns an. Anscheinend ist jetzt Schluss mit Rumstehen und Chillen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, macht mir dieses Zulegen und Abfangen schon auch Spaß. Ist mal was anderes als das dauernde Kringelreiten. Und ich weiß ja nicht, was für Drogen die sogenannte Besitzerin nimmt, aber im Moment ist sie echt erträglich. Hoffentlich bleibt das so 😉

Bild: Offener Ganaschenwinkel und Nase vor der Senkrechten

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