Die Frau entdeckt die dritte Gangart

Die Frau reitet ja neuerdings regelmäßig aus. Eigentlich nur, weil sie im Stall damit angeben will, wie cool und mutig sie ist. Und weil sie es nicht erträgt, dass der Mann sich beim Dressurreiten so wacker schlägt und ihr jetzt auch noch im Gelände Konkurrenz macht.

Als das mit den Traversalen anfing, hat sie beschlossen, sich das nicht gefallen zu lassen und sich stattdessen wie eine Nacktschnecke an Frau Reitlehrerin geheftet, sobald die Anstalten machte, den Hof zu Pferd zu verlassen. Sie hat sie sogar dazu genötigt, sich Faxe auszuleihen, weil sich die Frau sicherer fühlt, wenn Faxe dabei ist. Verrückt. Als ob ich keine vertrauenswürdige Ausstrahlung hätte! Wenn es hart auf hart kommt, wird so ein verschnarchter Tinker als Erster von den Nordic Walkern oder vom Bus gefressen, während ich die Frau im wilden Zickzackgalopp sicher zum rettenden Reitstall zurückbringe. Aber mich fragt ja keiner.

Irgendwann hat Frau Reitlehrerin der Frau dann verraten, dass man im Gelände außer hektischem Schritt mit panischem Geschnaufe und besagtem Zickzackgalopp noch andere Gangarten reiten kann. Nämlich entspannten Schritt, Trab (möglicherweise von unmelodischen Gesängen begleitet) und Galopp.
Galopp? fragt die Frau ungläubig. Ich stelle interessiert die Ohren auf.
Galopp, nickt Frau Reitlehrerin.
Galopp kenn ich. Ist doof, erklärt die Frau kategorisch. Ich sehe das anders, aber mich fragt ja keiner.
Gar nicht wahr, meint Frau Reitlehrerin und erinnert die Frau daran, dass sie im Reiturlaub auch draußen galoppiert wäre. Und zwar ziemlich lange, wenn sie sich so an ihre Erzählungen erinnern würde.
Jaaaaa, im Urlaub! ereifert sich die Frau. Da wäre ja auch alles anders gewesen. Zuverlässige Pferde und so. Und man selbst wäre auch sehr entspannt gewesen.
Vielleicht gäbe es ja einen Zusammenhang zwischen der eigenen Entspannung und dem Gemütszustand des Pferdes, schlägt Frau Reitlehrerin vor.
Der Frau fällt gerade ein, dass sie selbst grundsätzlich immer sehr entspannt wäre, geradezu meditativ. Es wäre also ausschließlich meine Schuld, wenn irgendwelche Ausritte oder Spaziergänge hektisch oder unharmonisch verliefen. Sie selbst hätte damit nichts zu tun.
Frau Reitlehrerin kichert. Ich auch, aber mehr so innerlich. Die Frau merkt es trotzdem und beschwert sich, ich würde sie auslachen.
Frau Reitlehrerin wechselt geschickt das Thema und macht die Frau darauf aufmerksam, dass die ja schon tolle Fortschritte gemacht hätte und mittlerweile nicht mehr angstschlotternd im Sattel säße halbwegs entspannt im Gelände traben könnte.

Tolle Fortschritte, ha! Das hört die Frau gern. Insgeheim fühlt sie sich ja schon ein bisschen wie Ingrid Klimke und ein verwegener ruhiger Galopp würde das Bild hübsch abrunden. Wie man denn zu einem gesitteten Galopp käme, ohne Bocken und sonstiges Rumhüpfen, will sie wissen.
Frau Reitlehrerin lächelt wissend.
Ja wie denn nun, quengelt die Frau, deren Hasenherz mit einem Mal furchtlos und ungeduldig schlägt.

Frau Reitlehrerin verrät es ihr. Und das ist der Grund, warum wir jetzt schon den 5. Berg hinaufgaloppieren. Frau Reitlehrerin freut sich, dass die Frau nun auch mal im Galopp zum Treiben kommt und ich möchte nach Hause. Im Schritt. Sämtliche Busse und Nordic Walker der Welt können mich nicht mehr erschüttern. Jedes andere Pferd, aber mich nicht. Ich habe fertig, mir ist sehr warm und ich finde, die Frau könnte ruhig ein paar Kilo abnehmen.

P.S.: Wer ausreiten und draußen galoppieren will, trägt natürlich eine Reitkappe. Tipps für Rückenprotektoren gibt es hier: Rückenprotektor-Test *

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